Vertrauen
Herr Wohllieb will nichts einfrieren.
Nicht Sophies Rhabarberbaiser und auch keine Momente.
Der Baiser schmeckt niemals so gut wie frisch und die Momente auch nicht.
"Da hat man einen Vorrat für schlechte Tage", sagt seine Schwester.
Aber mittelguter Kuchen macht schlechte Tage auch nicht gut.
Und eingefrorene Momente wärmen nicht.
Herr Wohllieb vertraut auf frischen Kuchen, obwohl er nicht backen kann,
und das ist ein ziemlich großes Vertrauen, weil der Kuchen nicht von ihm abhängt.
Sondern davon, dass Sophie kommt oder irgendein anderes Wunder geschieht.
Schöne Momente sind solche, in denen plötzlich etwas zusammentrifft, dass man nicht erwartet.
Zum Beispiel ein Sonnenuntergang, während das Radio den Kanon von Pachelbel spielt.
Sowas läuft selten im Radio. Oder der Geruch frischer Wäsche, während die Nachbarskatze schnurrt.
Herr Wohllieb mag diese Gleichzeitigkeiten, weil man sie nicht planen kann. Sie fallen vom Himmel.
Dass der Himmel plötzlich schließt, findet Herr Wohllieb unwahrscheinlich.
Deshalb findet er es sinnlos, etwas einzufrieren.
Warum sollte man sich mit Aufgetautem zufriedengeben, wenn es Frisches gibt?
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EINE SACHE, AUF DIE MAN EINFACH VERTRAUEN MUSS
... dass das Leben nicht so lebensgefährlich ist, wie es manchmal aussieht.
aus "Herr Wohllieb sucht das Paradies" von Susanne Niemeyer