Guten Abend soulvision,
danke für Deine Rückmeldung und Deine Nachfrage.
Mag sein, dass ich angespannt rüberkomme.
Ich fühle mich - verglichen mit in den Wochen vorher - heute jedoch deutlich besser.
Die Nacht mit der ersten Gabe meines Notfallmedikaments hat mich - mit Unterbrechungen - tiefer und länger schlafen lassen. Das ist schon mal die halbe Miete.
Dadurch konnte ich mich heute darauf konzentrieren, regelmäßig zu essen. Das hat gut geklappt.
Meine Sorge war: wenn ich den ganzen Tag kaum bis nichts esse, das essen mitunter einfach vergessen, weil mir das Hungergefühl abhanden gekommen ist, laufe ich Gefahr, hypoman zu werden. Das habe ich in der Vergangenheit erlebt.
Schlafen und essen, diese beiden wichtigen Dinge, haben mich wieder ins Lot gebracht zu haben, beruhigt mich.
Meine Konfusion hat dadurch nachgelassen.
Ich kann mich durch das morgendliche Schreiben des Datums in diesem Baum wieder orientieren.
Vorher wußte ich manchmal nicht, welcher Wochentag ist und welches Datum wir haben.
Die Kontrolle zu verlieren, empfinde ich als äußerst bedrohlich, da ich ein sehr kontrollierter und sehr disziplinierter Mensch bin. Selbstdisziplin ist für mich normalerweise leicht.
Vor der Einnahme von 2,5 mg Olanzapin wußte ich nicht mehr, was ich 5 Minuten vorher gemacht hatte.
Ein bißchen beruhigt hatte mich in dieser konfusen Zeit, dass meine Freundin, die mit ihrem kleinen Laden um ihre Existenz bangt, mir sagte, sie wisse derzeit mitunter nicht einmal mehr, was sie vor 5 Minuten gedacht hätte.
Was die Mitteilung meiner Vermieterin betrifft, so kommen damit - wie an einem Faden aufgereiht - alle negativen Erlebnisse
seit 2015 wieder hoch. Da verlor ich mein geliebtes Zuhause. Die drei kleinen Backsteinhäuser waren nicht mehr rentabel
und mußten 3 Hochbunkern (so werden sie im Dorf genannt) weichen.
Den 15 Mietern (mich eingeschlossen) wurde 2015 gesagt, wir hätten vorrangig das Recht, in die neuen Häuser einzuziehen. Die darin zur Verfügung stehenden Sozialwohnungen kann aber keiner von uns bezahlen. Im übrigen will da inzwischen auch niemand von uns wohnen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sollen demnächst zwei weitere alte Häuser, abgerissen werden. Die Schuppen dahinter sind seit einigen Tagen schon weg. In diesen beiden Häusern wohnten zwei hochbetagte Frauen, die große Angst hatten, ausziehen zu müssen. Sie wohnten dort nahezu ihr ganzes Leben. Vor kurzem sind beide verstorben und können aufgrund der Corona-Pandemie nicht würdevoll beerdigt werden. Neben dem Pastor ist bei der Urnenbeisetzung nur eine weitere Person erlaubt.
Auf einem meiner Spaziergänge mit meinem Hund habe ich die verzweifelte Tochter einer der beiden verstorbenen Nach- barinnen getroffen. Das Gespräch ist mir sehr nahegegangen. Heute war die Todesanzeige mit einem Foto von der alten
Dame in der Zeitung abgedruckt, die kostenlos an alle Haushalte verteilt wird. Morgen organisiere ich irgendwie eine Beileidskarte.
Wie ich es auch anstelle, ständig muß ich irgendwann an den Büros der Wohnungsbaugesellschaft, an den drei neuen Blocks und den Häusern, die demnächst abgerissen werden sollen, vorbei. Alles liegt nebeneinander in der Straße, wo ich wohne.
Eine Nachbarin, der ich mich freundschaftlich verbunden fühle, hat in einem der Häuser, die demnächst abgerissen werden sollen, gewohnt. Sie ist vor einem Jahr ausgezogen und nach Spanien ausgewandert. Bisher stehe ich noch per sms mit ihr
in Verbindung.
Mehr möchte ich dazu nicht schreiben.
Vor dem Corona-Virus habe ich keine Angst.
Ich halte mich an die Regeln, akzeptiere die Vorsichtsmaßnahmen und gut ist's.
Die Einschränkungen, denen ich derzeit unterliege, machen mir nichts aus.
1947 geboren und in einer einfachen, armen Großfamilie aufgewachsen, bin ich an Verzicht gewöhnt.
Das kommt mir heute zugute.
Was mir derzeit sehr zusetzt, ist, dass ich "mit Menschen in meiner näheren Umgebung lebe, die nicht zu mir passen"
"Die jetzige Wohnung war eine Notlösung und wird es wohl bleiben". Diese Sätze stammen von meiner Ärztin, nach etlichen Gesprächen und Überlegungen, weshalb ich wohl hier nicht ankomme.
Wenn ich es ihr bis jetzt nicht geglaubt habe, so weiß ich es nun.
Was Solidarität bedeutet, müßte hier erst erklärt werden.
Gute Nacht!
Viele Grüße
Deborah
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Wer etwas will, sucht Wege.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe.
Lerne erst laufen,
bevor du versuchst zu rennen.
("zeitzuleben", Ralf Senftleben)
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