Tag 6
Heute bin ich sehr durcheinander.
Ich muss zwar nicht mehr weinen, aber körperlich geht es mir unverändert, Ohrensausen, Tinitus, instabiler Kreislauf. Das einzige was mir auffällt,ist dass mein Herz nicht mehr durchgängig bis zum Hals pocht. Ab und an rührt es sich, ansonsten ist es ruhig.
Ich bin heute früh aufgewacht und da war ein Entschluss. Morgen treffe ich meine Freundin, die meine alte SIM-Karte verwahrt. Ich will sie einlegen und mir alles anschauen, was nach meinem Kontaktabbruch vor 6 Tagen kam.
Ich weiß, das ist reinste Selbstfolter. Die letzten Tage schwanke ich arg, ich fühle mich so schuldig, weil ich ohne ein Wort einfach alles zurück gelassen habe. Ich fühle mich so klein und feige. Dabei wollte ich doch endlich einmal meine eigene Entscheidung treffen. Ich wollte wenigstens einmal zeigen, dass ich nicht klein und fragil bin, dass ich sehr wohl auch ernst zu nehmen bin. Ich wollte endlich eine Entscheidung treffen und diese auch konsequent vertreten. Natürlich auch, um ihm wenigstens einmal mit Stolz die Stirn zu bieten. Allen voran wollte ich es aber für mich. Ich wollte mit meinem letzten Stolz und in Würde aus dieser Beziehung gehen, ich wollte es mir selbst beweisen, dass ich es kann. Ich wollte nicht als das kleine Häufchen Elend einfach still und leise und ganz heimlich verpuffen.
Und nun muss ich feststellen, dass genau das passiert ist. Ich war zu feige wenigstens einmal eine klare und deutliche Ansage zu machen und dann wahrhaftig zu gehen. Ich habe mich leise davon geschlichen.
Vor lauter Angst habe ich mich das nicht getraut. Ich will nicht klein und ängstlich mit verschlossenen Augen wie ein geprügelter Hund davon schleichen. Ich will auch keinen Streit und keinen dramatischen Abgang mit Pauken und Trompeten. Ich wollte wenigstens den Mut aufbringen, ihm deutlich und klar zu sagen "Jetzt ist es vorbei. Alles Gute.". Und dann die SIM-Karte entfernen und alle Kontakte abbrechen.
Es klingt bestimmt lächerlich. Es ist nur dieser eine Satz. Für mich bedeutet er soviel. Für mich bedeutet es "ich will weg von dir, ich befreie mich von dir, du kannst mir jetzt nichts mehr anhaben.". Ich bilde mir ein, dass hätte mir ein Stück Selbstwertgefühl zurück gegeben, weil ich endlich einmal eine Entscheidung getroffen habe,ohne mich zu verstecken.
Jetzt ist es im Grunde nichts anderes, als das was er sonst immer tat. Einfach für ein paar Tage wortlos verschwinden. Ich fühle mich einfach so feige. Ich habe genau das getan, was ich an ihm immer verurteilt habe. Ich frage mich gerade wie ehrlich ich zu mir selbst bin? Ich habe das Gefühl, ich habe mich selbst betrogen.
Ich bin einfach nur untergetaucht, mehr wird es doch für ihn nicht sein. Und in seinem Wahn wird er furchtbar wütend geworden sein. Wahrscheinlich hat er nun wirklich sofort für Ersatz gesorgt und nun bin ich am Ende sogar noch das kleine betrogene Mäuschen, nur weil ich nicht in der Lage war diese Beziehung vernünftig zu beenden. Ich habe zwar die Entscheidung für mich getroffen, jedoch nicht den Mut gehabt sie zu vertreten und dafür einzustehen. Es fühlt sich an, als habe ich genau das Gegenteil erreicht. Das nagt arg an meinem Selbstwertgefühl. Er hat immer alles dominiert und alles allein entschieden, jetzt sogar das Ende-weil ich zu feige war, meine eigene Entscheidung laut auszusprechen. Mieses Gefühl.
Ich will seine Nachrichten morgen alle lesen. Ich erwarte das allerschlimmste, dass er mir in seiner Wut wirklich alles um die Ohren haut und mir auch Dinge sagen wird, die ich immer gefürchtet habe. Vielleicht brauche ich das, damit ich wieder klar sehe. Vielleicht verschwinden dann die Schuldgefühle ihm gegenüber und die Scham mir gegenüber, wenn ich wieder vor Augen geführt bekomme, dass es wirklich das einzig richtige war zu gehen.
Ich habe große Angst vor dem was mich da erwartet, aber ich muss es tun, vielleicht komm ich so endlich von ihm und diesem beklemmenden Gefühl los.
Es wird hart. Am Ende wird er es so sein, dass er derjenige ist, der die Trennung ausspricht und ich werde doch wieder die kleine und hilflose Martha sein, die jede Entscheidung fürchtet und die in Furcht darauf wartet, dass sie mir einer abnimmt.
Ach mensch, das fühlte sich letzte Woche so richtig an, als ich ohne ein Wort ging. Ich habe noch überlegt, ihm das mutig zu sagen, aber dann war ich zu verletzt und wütend. Ich wollte nur noch weg.
Und nun ist es zu spät für mich selbst einzustehen und aufzustehen, zumindest ihm gegenüber.
Ich weiß, ich sollte mir keine Gedanken darüber machen. Aber irgendwie hat es sich die ganze Zeit so falsch angefühlt, ich schäme mich insgeheim für mich selbst. Wir waren zwei Jahre ein Paar und es ist wirklich nicht in Ordnung einfach ohne eine Wort zu gehen. Niemand hat es verdient so zurück gelassen zu werden, auch er nicht-egal wie sehr er mich mit all dem auch verletzt hat. Das ist so respektlos. Ich habe mich verhalten wie er und das bin nicht ich. Ich schäme mich wirklich und es tut mir leid.
Ich denke, wenn ich morgen seine Gemeinheiten lese, dann wird mir das den Kopf wieder zurecht rücken.
Ich habe einfach das Gefühl, ich muss es tun. Ich wackel gerade. Dann muss es eben nochmal richtig weh tun, damit ich es endlich begreife.
Das sind meine heutigen wirren Gedanken und irgendwie schäme ich mich auch dafür, weil ich weiß wie labil ich wirke. Ich will das nicht mehr. Ich will mir selbst in die Augen schauen können. Ich will auf mein inneres Kind Acht geben und es schützen, aber nicht indem ich feige davon laufe... wie soll es da Stolz und Selbstwert erfahren und lernen?
Gedankenzirkus Ende.
Liebe Grüße, Martha
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 27.08.12 20:13.