Hallo Martha,
ich bin auch entsetzt, was du schreibst , wie er momentan therapiert wird.
Bei den sogenannten Aufstellungen gibt es zwar mehrere Behandlungsformen, wie das durchgeführt wird, aber quasi alle, auch die seriösen systemischen Formen, müssen unbedingt einen sehr gut abgeklärten Rahmen haben, und wenn die erste Therapeutin die Aufstellungen abgebrochen hat, dann sicherlich aus einem guten Grunde - weil eben keine ausreichende Stabilität für eine Aufstellung vorhanden ist.
Die Kontraindikation ist während manischen oder gar psychotischen Zuständen ziemlich klar.
Diese Therapieformen gehen an tiefe Gefühle heran und können im schlimmsten Falle Phasen stark verstärken oder sogar auch auslösen.
Insofern würde ich dir raten, werners Bitte nachzukommen.
Deine eigene Art, über eure Situation nachzudenken, zeigt exakt, wie tief du dich bereits co-abhängig in die Welt deines Freundes begeben hast, dieser starke Wille, direkt für ihn dazusein, und andererseits die Angst, etwas falsch zu machen.
Um dich gleich zu entlasten:
In dieser Situation gibt es *kein* richtiges Handeln, bei dem du
direkt zu ihm in seine Welt durchdringen kannst. Das schaffen meist nicht einmal erfahrene Psychiater, und das ist meist auch weder hilfreich noch notwendig.
Das einzige richtige Verhalten ist, Hilfe anzubieten für den Fall, dass er wirklich bereit ist, sich in Psychiatrische Behandlung zu begeben, mit allen Konsequenzen, also auch medikamentöse Behandlung. Also z.B. wenn du dich anbietest, ihn in eine psychiatrische Ambulanz zu fahren, sobald er bereit dazu ist und ihn dort zu begleiten, bei dem was dann passiert, was wahrscheinlich die schnellste und beste Form der Hilfe in so einer Situation wäre.
Also ein Angebot zu machen, klarzumachen, dass dieses Angebot weiterhin gilt, auch wenn du dich vorerst nicht mehr meldest, so dass er weiss - es gibt einen Weg zurück zu dir, aber nur, wenn er auch bereit ist, sich helfen zu lassen.
Manchmal dauert es, bis der manische oder psychotische Zustand bereits in eine Depression übergeht, und er dann seine Hilfebedürftigkeit erkennen kann. Dann kannst du ihm wirklich helfen. Bis dahin gibt es eben nur sehr wenig, bis eben gar nichts, was du machen kannst, ausser auf dich selbst aufzupassen, dir wieder Energie zu verschaffen. Denn, wenn er später aus dem manisch-psychotischen wieder zurückkehrt, wird er wahrscheinlich noch genug Hilfe brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.
Es gibt nur 3 Alternativen, was passieren kann, und eine davon ist, er wird von selbst in diesem Zustand einsichtig, was sehr unwahrscheinlich bis unmöglich ist, die Zweite ist, er gelangt in den Bereich der Selbst- oder Fremdgefährdung, und man kann ihn zwangseinweisen lassen, dies wäre der Fall, wenn er andere gefährdet, z.B. durch Androhung oder Ausübung von Gewalt, oder sich selbst, z.B. bei Suizidandrohung, und der letzte Alternative ist, die Manie geht zuende, was dem entspricht, was du wahrscheinlich mit "Abstürzen von der Klippe" meinst.
Eine von den drei Alternativen wird eintreffen. Meist ist es die Dritte, wenn jemand es schafft, nach aussen hin noch, durch lange Erfahrung mit den eigenen Zuständen, 'relativ' unauffällig zu bleiben und sozusagen im privaten Umfeld am auffälligsten seine Krankheit auslebt, und nach aussen hin den Schein noch sehr lange aufrechterhalten kann, oft sogar bis die Phase abgeklungen ist, und die Gegenbewegung einsetzt. Vielleicht gibt es schwerwiegende Ereignisse, wie einen Jobverlust aufgrund des kranken Verhaltens, oder eben, dass der Partner sich abwendet (!), was dann als Auslöser dafür fungiert, dass die Manie/Psychose in sich zusammenfällt.
Bei mir war es immer so, dass diese schwer gereizten und aggressiven Stimmungen bereits den Anfang vom Ende einer Manie einleiteten, während ich auf dem Weg zum Gipfel eher sehr positiv und froh gestimmt war. Dass er in seiner Getriebenheit bereits Vieles von dem, was er will, eben nicht mehr schafft, dadurch aggressiv wird, sich überfordert fühlt, das birgt bereits den Keim des Zusammenbruchs in sich.
Diese Anstrengungen hinterlassen ja auch eine große Erschöpfung, dazu kommt es fast unweigerlich, selbst, wenn es gelingen sollte, ihn vorher in Behandlung zu bekommen.
Wichtig für dich zu sehen, ist - es gibt nicht viel, was den Absturz verhindern kann. Ein solcher Zustand überfordert Körper und Geist in großem Maße, und das hat zur Folge, dass man fast immer im Anschluss völlig ausgepowert ist, in jeder Hinsicht. Darum schliesst sich bei den meisten Betroffenen, sobald sie erkennen, dass sie jede Menge Blödsinn gemacht haben, auch eine Depression an solch schwere Zustände an. Manchmal direkt, manchmal gibt es eine Weile den Normalzustand dazwischen. Erst, wenn er sich dem Normalzustand oder einer Depression nähert, wirst du die Möglichkeit haben, wieder wirklich zu ihm durchzudringen.
Vorher nicht.
Das ist die Herausforderung an dich - jetzt eben nur noch eine Form von Hilfe anzubieten - ihn zu einem Psychiater zu begleiten oder zu bringen - und ansonsten nichts.
Und währenddessen du darauf wartest, dass er bereit ist, das anzunehmen, solltest du alles tun, um alle Kraft erst einmal nur für dich zu verwenden. Dir wieder Reserven zu verschaffen. Herauszufinden, wie du soweit kommen konntest, dass du quasi mit-krank geworden bist, und wie du das in Zukunft verhindern kannst.
Dir auch einfach mal alles Auge-in-Auge mit dem Therapeuten von der Seele zu reden.
Liebe Grüße und viel Kraft,
M.