Hallo M.,
ich lese das was du schreibst, seit heute morgen-immer wieder und wieder. Danke!
So habe ich es mir immer vorgstellt, dass es so für ihn sein muss. Was im Grunde wieder heißt, dass wir eigentlich auch wirklich beide so empfinden und die Situationen auch beide so wahrnehmen. Er sieht und empfindet mich ganz genauso, wie ich ihn. Nur, dass ich weiß warum und dass ich weiß, dass es bei ihm die gestörte Wahrnehmung ist.
Womit ich mich allerdings auch wieder schlecht fühle. Es fühlt sich so falsch an, zu denken "aber ICH habe ja auch wirklich Recht und DU bildest dir ja alles nur ein.". Und genau darum sage ich ihm auch immer, dass es hier nicht darum wer Recht hat und wer Unrecht, genauso wenig wie es darum geht, jemanden die Schuld an irgendetwas zu geben. Es geht darum offen miteinander zu reden und Dinge zu erkennen, um sie lösen zu können. Nur kommt eben genau das leider nicht bei ihm an. Und wenn ich deine Schilderungen lese, leuchtet mir das auch alles ein und ich habe das Gefühl, dass ich genau weiß wie er sich fühlen, weil ich ja eigentlich ganz genauso fühle. Nur dass ich eben weiß warum und dass bei mir nur im Bezug auf ihn ist. Bei ihm kommt ja die komplette Umwelt, unabhängig von mir auch noch dazu. Und bei dieser Vorstellung wird mir ganz schlecht :-(
Dann möchte ich ihm nochmehr helfen. Und nochmehr wieder zu ihm hin und ihn wach rütteln. Es ist wie, als ist er in einer anderen Welt und ich spüre wie verzweifelt er ist und wie da umher irrt und ich höre ihn auch rufen-aber ich finde den Weg einfach nicht zu ihm rein. Und das macht mich so fertig. Ich renne rastlos umher und wedele mit den Armen und rufe und schreie, damit er mich hört und sieht und er den Weg zu mir raus findet. Aber es nutzt nichts. Und ich weiß es auch. Und trotzdem ist es so schwer, einfach damit aufzuhören. Es ist wie aufgeben. Es ist wie, als wenn ich ihm einfach seinem Schicksal überlasse. Und ich weiß, dass er da drinnen verloren ist.
Ich denke ich bin hier draußen in meiner Welt, in der realen Welt genauso "verrückt", wie er in seiner. Ich bin auf die selbe Weise verzweifelt, panisch und stehe dem auch völlig wirr gegenüber, weil ich eben nicht in seiner Welt bin und er mir völlig entgleitet. Und ihm geht es ebenso mit mir.
Allein diese verknoteten Gedanken verursachen schon Kopfschmerzen und ich habe manchmal wirklich Angst, dass ich schon viel zu tief mit in diese Welt hineingegangen bin. Es regiert all meine Gedanken und mein Leben. Es ist in allem der Mittelpunkt. Immer diese Fragen, was kann ich tun und wie wird es weiter gehen. Immer diese Unsicherheit. Und ihm geht es ebenso, weil er glaubt mir helfen zu müssen.
Und desto mehr ich darüber nachdenke, umso weniger Hoffnung habe ich, dass er es wirklich eines Tages erkennen und einsehen wird :-(
Ich verstehe es ja. Natürlich niemals so, wie ein Betroffener selbst es wiedergeben kann. Aber ich kann wirklich verstehen und auch nachvollziehen, was du mir schreibst. Und ich kann es auch nachempfinden. Und ich bin auch nicht böse auf ihn, das war ich nie. Ich habe ihm nie die Schuld daran gegeben, dass es so ist wie es ist. Ich habe ihn nie verurteilt oder abgewertet. Niemals. Er war und ist mir immer so wichtig, sonst hätte ich all das doch nie bis hierher gemacht.
Ich weiß, dass ich ihm damit keinen Gefallen getan habe, dass ich es im Grunde immer schlimmer gemacht habe und ihn ja davon abgehalten habe, es zu erkennen. Weil ich eben immer da war. Ich habe viele Situationen noch schlimmer gemacht, weil ich versucht habe ruhig zu bleiben, verständnisvoll zu sein, trotz aller Bosheiten immer bei ihm blieb und war. All das hat ihn doch nur noch mehr aufgewühlt. Ich weiß, dass ich es nicht richtig gemacht habe.
Nur was kann ich jetzt tun? Was mache ich jetzt? Kann ich überhaupt noch etwas tun?
Er hat mir heute früh wieder eine Mail geschrieben, in der u.a. steht, dass ich nie sagen musste, dass er Schuld ist, dass er an jeden meiner Sätze gemerkt hat. Dass ich immer alles besser wusste und immer noch einen oben drauf setzen musste. So wie ich mich aufführe, will er mich nicht mehr sehen. Und die Frau, die er liebte, sei ihm verloren gegangen.
Und am liebsten will ich ihm zu jedem einzelnen Satz sagen "Nein, so ist es nicht! Ich gab dir nie nie nie die Schuld! Niemals! Weil ich doch immer wusste, was los ist. Und ich habe mich niemals über dich gestellt und wusste alles besser, ich wollte dir doch lediglich zeigen was hier passiert. Dass du es siehst und dass ich dir helfen kann. Und wie führe ich mich denn auf? Ich mache doch gar nichts. Ich bin stumm und unsichtbar. Ich mache und sage doch schon gar nichts mehr, also wie führe ich mich auf?? Und die Frau di edu liebst, ist noch immer da-sie ist die ganze Zeit da und auch hier bei dir, aber du siehst sie einfach nicht. Du kannst sie gerade nicht sehen."
Aber was bringt es, ihm das zu sagen?! Ich weiß doch, dass es nicht ankommt. Dass er nur als weiteren Angriff siehst und sich dadurch nochmehr beschuldigt führt und so erreiche ich genau das Gegenteil von dem, was ich immer erreiche. Ich mache alles schlimmer und nicht ein bischen besser. Das ist so furchtbar. Ich will ihm doch nichts Böses!!! Ich will ihm doch nicht schaden! Aber tue ich genau das! Ich schade ihm immer mehr, allein damit, dass ich da bin, dass ich in seinem Leben existiere. Ich mache für ihn alles noch schlimmer.
Mein logischer Verstand sagt mir dann, dass ich gehen muss. Dass ich ihn verlassen muss, damit ich ihn nicht komplett den Irrsinn treibe (wie er es mir ja auch immer vorwirft). Und ich wollte das schon sooft tun. Nicht weil ich ihn nicht liebe, sondern weil ich eigentlich schützen will. Vor mir, damit ich es für ihn nicht schlimmer mache, was ich ja ungewollt aber unweigerlich tue. Ich bin nicht gut für ihn, so sehr ich mich auch bemühe.
Aber dann kommt er wieder, dann sagt er mir wieder, dass er mich braucht und mich will und das alles gut werden kann und wir es schaffen können, zusammen. Und dann versuche ich es wieder. Und immer wieder und wieder. Weil es mir einfach so so so schwer fällt ihn loszulassen, ihn aufzugeben. Weil ich ihm doch helfen will.
Die beste Hilfe ist Nicht-Hilfe. Ja, ich verstehe das... irgendwie. Es ist so logisch, es klingt so einfach. Das ist wie "ach da ist der Knopf, wieso sagt mir das keiner". Aber es ist so so so schwer. Ich finde da irgendwie keinen Weg hin. Ich weiß, dass es noch das Einzige ist, was ihm helfen kann. Aber ich weiß nicht wie? Sollte ich mich jetzt tatsächlich komplett von ihm abwenden und auf Nichts von ihm mehr reagieren? Er wird doch aber irgendwann wieder klar werden und dann weiß er doch aber gar nicht was passiert ist? Er wird dann doch denken, ich hätte ihn einfach wortlos und hinterrücks verlassen. Warum sollte er dann sehen und begreifen, wie es wirklich ist? Das verstehe ich nicht.
Und wenn ich jetzt nie wieder auf irgendwas reagiere und ich komplett den Kontakt abbreche, dann ist es doch quasi eine echte Trennung. Dann gebe ich ihn auf und überlasse ihn doch sich selbst, allein. Wie kann ich ihn dann unterstützen, wenn er mich braucht? Wie kann ich dann da sein, wenn er mich braucht? Was ist, wenn er wirklich erwacht und es einsieht und ich kann ihm dann helfen und ihm Halt geben und dann bin ich aber nicht da?
Woran merke ich das?
Ohje, vielleicht sollte ich das alles nicht mehr hinterfragen. Es fällt mir gerade einfach so schwer, das umzusetzen. Ich fühle, als hinge er allein an einer Klippe und ich drehe mich einfach und gehe... Das ist so schwer, weil ich doch nicht will, dass er abstürzt.