Liebe Friday,
mitunter dauert es bei mir etwas länger, bis das, was beim Verstand angekommen ist, eine Etage tiefer rutscht.
Das hat nichts mit meinem derzeitigen Gesundheitszustand zu tun. Das kenne ich schon länger.
Ich danke Dir besonders für den letzten Satz Deines Beitrags:
Ich wünsche Dir, dass Du weiterhin zur Ruhe kommst, Deine Mitte wieder findest und ab jetzt
Deine neue Heimat so richtig genießen kannst.
Zur Ruhe zu kommen, um meine neue Heimat so richtig genießen zu können, hatte ich auf dem Schirm.
... meine Mitte wieder finden ... eher nicht.
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Als ich im Mai 2002 in meiner Wahlheimat SH ankam und die ersten Schritte zurück ins Leben machte, sagte ich
im Treff für psychisch Kranke: "Ich habe alles verloren." Eine dort ebenfalls anwesende Rheinländerin meinte da-
raufhin: "Nein! Das Wichtigste hast Du noch: Dich!" Diesen Satz habe ich seither nicht mehr vergessen.
Hätte ich in der akut kranken Zeit von 1993/94 bis Anfang 2002 mich selbst verloren -
das wäre eine andere Hausnummer gewesen.
Dieselbe Frau fragte mich später, ob ich mir darüber klar sei, dass vermutlich meine kölsche Mentalität
"mir den Ar..h gerettet hat". Nein, auf diese Idee war ich nicht gekommen.
Inzwischen denke ich: da ist was dran.
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Nach dem ersten Lockdown 2021 (?) sagte mir die mich begleitende Ärztin der Institutsambulanz,
sie habe sich sehr erschrocken, als sie bemerkte, dass ich den Kontakt zu meinem Ich verloren hatte.
Ich habe es der Ärztin - die ich irrtümlicherweise für übervorsichtig oder gar ängstlich gehalten hatte - hoch angerechnet,
dass sie sich in unseren Sitzungen von ihrer Sorge nichts hat anmerken lassen. Seit ich erkannte, dass die Ärztin profes-
sionell mit mir arbeitet und ich mich auf sie verlassen kann, konnte von meiner Seite endlich Vertrauen zu ihr zu wachsen.
Step by step hat sie mir damals mit ganz kleinen, praktischen Dingen geholfen, wieder zu meinem Ich zurückzufinden.
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... und jetzt: 2022 - endlich am Ziel meiner Wünsche - verliere ich aufgrund der im Eingangsbeitrag geschilderten Belastungen die Balance in meinem Leben.
Der defekte Gleichgewichtsnerv im linken Ohr hatte sprichwörtlich zur Folge, dass ich durch den Drehschwindel
durcheinander gewirbelt wurde. Das ich derzeit kaum hören kann, empfinde ich inzwischen als Segen.
Die Katastrophenmeldungen erreichen mich nicht mehr.
Meine Augen haben nach wie vor Schwierigkeiten, geradeaus zu schauen und werden schnell müde.
Auch das ist mir eine große Hilfe dabei, mir genau einzuteilen, wann ich lese oder hier im Forum schreibe.
Der Körper - der gesamte Organismus - ist sehr klug. Er weiß sehr genau, was er braucht und was nicht.
Das ist mir eine Orientierungshilfe auf meinem Genesungsweg. Ich halte mich daran.
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Mitte November fahre ich zu meiner Ärztin nach SH.
Das größte Hindernis, das ich sehe, ist die Fahrt per Bahn mit dem Rollator.
... doch auch das werde ich irgendwie hinkriegen.
Mein Hund, der von Anfang an zu meiner Ärztin mit darf, bleibt bei der Pflegestelle.
Dadurch ist mein Vorhaben für mich insgesamt entspannter.
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Nochmals "danke" für Deine detaillierte, sehr hilfreiche Rückmeldung.
Viele Grüße
Deborah
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Wer etwas will, sucht Wege.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe.
Lerne erst laufen,
bevor du versuchst zu rennen.
("zeitzuleben", Ralf Senftleben)
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3-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.10.22 04:59.