Moin liebe Foris,
tschitta's Aussage *hilf mir, es selbst zu tun* möchte ich aufgreifen und ein paar Gedanken dazu aufschreiben:
Durch meine diversen Klinikaufenthalte habe ich etliche PsychiaterInnen kennengelernt und bin mit keiner Person zurecht ge-
kommen. So lehnte ich mit der Zeit diesen Berufsstand - als gefühlt unfähig - komplett ab. Das hatte natürlich zur Folge, dass
mir nicht geholfen werden konnte. Gegen meinen stark ausgeprägten Willen geht gar nichts - in kranken Zeiten, in denen ich
mich Ärzten ausgeliefert fühlte, erst recht nicht.
Im Rückblick kann ich erkennen, woran es u.a. lag: an Überfürsorglichkeit!
Das ist für mich bis heute das Gegenteil von der Art Hilfe, die mir hilfreich ist.
In einer alkoholkranken Familienstruktur mit einer alles unter Kontrolle haltenden Mutter aufgewachsen, kann ich es bis heute
auf den Tod nicht ab, wenn sich mir gegenüber jemand überfürsorglich verhält. Mir signalisiert ein solches Verhalten, dass
mir nichts zugetraut wird und mir demzufolge die Verantwortung für mein Leben abgenommen werden muss.
... und weil das schon nicht stimmte, als ich Kind war, wehre ich mich gegen Überfürsorglichkeit intuitiv.
Entweder mache ich die Schotten dicht, schalte auf stur oder ich wehre mich heute auch lautstark.
"Hilfe zur Selbsthilfe" konnte ich auch in Krankheitsphasen als Hilfangebot erkennen.
Dass ich in den Depressionen diese Hilfe nur schwer annehmen bzw. nicht umsetzen konnte, steht auf einem anderen Blatt.
Der Psychiater, der mich nunmehr länger als ein Jahrzehnt auch als Psychotherapeut begleitet, ist der erste Arzt, den ich kennen-
gelernt habe, der gar nicht auf die Idee kommt, mich zu "betüddeln". Ich darf meine eigenen Erfahrungen machen, selbst dann,
wenn das bedeutet, dass ich zum xten Mal auf die Nase falle. Nur so kann ich aus meinen Fehlern lernen, wenn nicht beim ersten Mal, dann eben beim 4. Mal.
... und dann heißt es: wieder aufstehen, *Krone richten*, weitergehen!
Von Anfang an hat er mir das Gefühl gegeben, dass ich auch mit der Krankheit auf meinen eigenen Füßen alleine durchs Leben gehen kann. Er vermittelt mir ausschließlich das "gewußt wie", was mir oft fehlt. Doch er nimmt mir nie die Verantwortung für mein Leben ab, selbst dann nicht, wenn ich es gerne einmal hätte, weil mir alles zu schwer wird. Und wenn ich mal überhaupt nicht in die Puschen kommen wollte, habe ich von ihm auch schon mal in väterlich wohlwollend strengem Ton zu hören bekommen: "Nun sind Sie mal nicht so zögerlich!"
Diesen Psychiater und Psychotherapeuten gesucht und gefunden zu haben, ist für mich wie ein Lottogewinn.
Ich habe in den vergangenen Jahren nicht nur alles, was mir durch die Krankheitsphasen und den mehrjährigen Aufenthalt in unterschiedlichen Psychiatrien abhanden gekommen war, wiedergefunden. Ich habe in verhältnismäßig hohem Alter noch etwas ganz Wichtiges hinzugelernt: dass ich anderen Menschen vertrauen kann und keine Angst mehr davor haben muss, vereinnahmt oder bevormundet zu werden. Ich habe gelernt, mich gegen Gutgemeintes zu wehren.
Mit meiner Genesung von der als Kind erworbenen Co-Abhängigkeit (das Hauptziel meiner Therapien), lerne ich etwas verspätet, erwachsen zu werden ;-)
Ich habe den Eindruck, dass sich alles, was ich in den Therapien gelernt habe und umsetzen kann, auch positiv auf die Bipolare Störung auswirkt.
Mir gefällt in diesem Zusammenhang sehr, was Werner - selbst auch in fortgeschrittenem Alter ;-) - geschrieben hat:
"Therapie als quasi zweite Phasenprophylaxe". Schöner und treffender kann man es nicht ausdrücken.
Danke, Werner!
Viele Grüße
Deborah
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
Wer etwas will, sucht Wege.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe.
Lerne erst laufen,
bevor du versuchst zu rennen.
("zeitzuleben", Ralf Senftleben)
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *