Nunja, kinswoman,
ich habe ja auch irgendwie ein Problem mit, nunja, irgendwie Positiv-Diskriminierung...darum gerade mal ein wenig Kritik...
Also, zum Thema "zäh, ausdauernd, mutig" und "soviel Energie und Kraft in die Bewältigung gesteckt" möchte ich persönlich doch ein paar kurze Anmerkungen machen...
In einer schweren Depression bin ich von dem Moment an, in dem meine Wohnungstür hinter mir zufällt, in etwa so zäh, wie Himbeergelee in der Sonne, ausdauernd wie ein Querschnittsgelähmter beim Marathonlauf ohne Rollstuhl und mutig wie ein Zwergkaninchen mit Angstpsychose.
Was bleibt einem bei einer Erkrankung ohne Ende Anderes übrig, als Ausdauer - Ausdauer ist überleben.
Wer bei der Bewältigung der BS keine Ausdauer hat, der ist tot. Die Bewältigung ist die lebenslange Aufgabe, die man sich nie ausgesucht hat, und die man nicht abgeben kann, es sei denn, man gibt den Löffel ab.
Es gibt ja nur wenige Dinge, auf die das vielgeschundene Wort "alternativlos" wirklich zutrifft. Aber die Bewältigung einer unwiderruflichen lebenslangen Erkrankung ist genau das. Ob mit oder ohne Medikamente oder Diagnose, ob bewusst oder unbewusst, völlig egal. Wirklich bewältigt im Sinne von "nu ist das aber zuende", das kann man vielleicht in seinen Grabstein meisseln lassen. "Nun hat er es aber endgültig bewältigt."
Die Energie, die das Leben mit Phasen kostet (synonym für Bewältigung, bei der man übermäßige Energie verbraucht), die kommt nicht aus dem Nichts. Eine Kerze mit hellerer Flamme brennt bei gleicher Größe auch deutlich kürzer.
Die hohe Anzahl der Frühberentungen sind diesbezüglich eigentlich eine klare Aussage.
Und Ehrfurcht...
Nun, bipolar sein ist keine besonders ehrenvolle Sache. Wer mal eine schwere Depression gehabt hat, weiss, dass man da ganz schnell mal seine Würde am Eingang in der Garderobe abgibt, und erst, wenn man blind wieder rausgefunden hat, zurückbekommt. Menschen mit Behinderungen und unheilbaren Erkrankungen verdienen doch keine Ehrfurcht für die simple Tatsache, dass sie irgendwie Wege gefunden haben, weiterhin zu leben. Es ist eine schlichte Notwendigkeit.
Ein Bekannter von mir sitzt seit seinem 16. Lebensjahr nach einem unverschuldeten Unfall im Rollstuhl mit einem funktionierenden Auge, ohne Kehlkopf, und mit nur einem Lungenflügel. Wenn du dem sagst, du hast Ehrfurcht davor, wie toll er doch sein Leben meistert - der würde dir ganz schön was husten. Und nicht nur, weil der starker Raucher ist. Was soll der denn sonst machen, als so sein Leben zu meistern, etwa aufstehen und weggehen? Oder über 'ne Klippe fahren?
OK, tut mir eigentlich irgendwie leid, dass nun du sowas abbekommst...ich denke mir nicht, dass du das so gemeint hast, wie ich das jetzt mal hart angegangen bin...
Deine sonstigen Beiträge finde ich nämlich durchweg sehr hochqualitativ. Aber es ist auch wirklich ein schmaler Grat, zwischen Realismus, Negativ-Diskriminierung, Positiv-Diskriminierung usw..
Und was ich auf jeden Fall noch sagen möchte - Diskriminierung egal welcher Art ist überhaupt nicht davon abhängig, wie etwas gemeint ist, sondern, was damit ausgelöst wird, auch wenn völlig unbeabsichtigt!
Zugegeben, ist auch ein Minenfeld...und da geht affektiv eben auch mal was los, wenn man versehentlich rüberlatscht.
Ich sag' mal - es gibt da eine öffentliche Dame, die als Schirmherrin einer Stiftung zu unserer Problematik fungiert, die bei jedem Fernsehinterview dazu mehr Hahnebüchenes vom Stapel lässt, als du wahrscheinlich je in einem Jahr´hinbekommen wirst, die ist im Gegensatz zu dir äußerst resistent gegen die Realität... ;-)
Nimm' es bitte nicht persönlich.
Vielleicht nimmst du aus diesem Post doch auch irgendwas für dich mit.
Liebe Grüße,
M.