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Mich hatte letzt regelrecht verstört, als jemand schrieb, durch Neuroleptika hätte er keine Ironie mehr verstehen können.
Ich dachte, hier wäre auch mal angebracht, klar zu sagen, dass dies nicht unbedingt typisch ist.
Ich bin auch in ziemlich regelmäßigem Kontakt zu Langzeit-Lithium- und Neuroleptika-behandelten, anderen Betroffenen.
Schwarzer Humor und Sarkasmus und auch unbeschwerte Fröhlichkeit sind da nicht die Ausnahme.
Eher die Regel.
Wahrscheinlich sogar deutlich ausgeprägter, als bei den meisten psychisch gesunden Menschen, die ich kenne.
Trotz Behandlung.
Und vor allem macht man bei wirkender Behandlung keinen Narren aus sich, der denkt, er wäre König, was bei unbehandelter Bipolarität durchaus häufig ist, und eigentlich alles Andere als lustig.
Oft eher peinlich, im Sinne von - später schmerzhafter Scham über das eigene Verhalten, und eigentlich trauriger Kontrollverlust, den die Anderen irgendwann sehen, und man selbst erst, wenn es schon wieder vorbei ist.
Der Narr ist vielleicht nicht die schlechteste Rolle, die man haben kann.
Aber er ist auch eine im Herzen sehr unglückliche und meist auch sehr hoffnunglose Figur. Oft genug einfach unfreiwillig komisch.
Vielleicht die tragischste Figur unter allen Tarot-Karten. Und sicher die Bipolarste.
Mich würde nicht wundern, wenn die Hofnarren früherer Zeiten durchgehend mit Bipolaren besetzt gewesen wären.
Ist bei den modernen Hofnarren von heute im Showbiz auch alles andere als selten.
Die Zeit, in der nahezu *alle* Patienten der Psychiatrie Haldol-stillgelegt, bewegungsgestört, grimassenschneidend in Pampers wie Zombies ohne Gefühlsregung auf dem Abstellgleis die Gänge entlang schlurften - was ich Anfang 90er Jahre in einer Gerontopsychiatrie für Patienten ab 30(!) als *Dauerzustand* und *Dauerbehandlung* zutiefst verstört als Besucher gesehen hatte - ist hoffentlich dauerhaft ein Ding der Vergangenheit. Damals schwor ich mir, dass ich niemals in dieser Art Psychiatriemühle enden wollte.
Selbstbestimmung gehört zu meinen höchsten Zielen, auch bei der Behandlung, bis heute.
Und gerade, weil ich selbstbestimmt leben will, nehme ich Medikamente. Ich will kein Sklave meiner Affekte sein.
Das mag für den einen oder anderen Arzt störrisch sein, oder uneinsichtig, oder nicht 'compliant', dass ich auf Augenhöhe und ganz klare Veto-Rechte bestehe, aber das hat seine Gründe.
Ich muss schliesslich anschliessend damit leben, nicht der Arzt, und ich habe mit meiner eigenen Erkrankung auf jeden Fall Jahrzehnte mehr persönliche Erfahrung, als der, der mir da gegenübersitzt. Und werde damit auch bis zu meinem Lebensende weiterleben müssen. Und das ist keine kurzfristige Behandlung, ich muss auch die Risiken und Erfolgsaussichten für wirklich lange Zeiträume überblicken. Länger, als die meisten Arzt-Patientenbeziehungen je halten.
Ach ja, ein wirklich erfahrener Arzt hat eben auch einen gewaltigen Nachteil. Er stirbt irgendwann.
Mein erster Psychiater starb Anfang des Jahres.
Überraschender Herzinfarkt.
Er war Sportler, 67, und muss, der Autopsie nach, schon jahrelang unbehandelte stärkere Herzbeschwerden gehabt haben. Und hat diese wahrscheinlich bei sich selbst, wegen des hohen Arbeitsaufkommens, und der Probleme, seine hunderte Patienten vor dem Ruhestand auf andere Ärzte zu verteilen, als psychosomatisch durch den Stress diagnostiziert...und somit als körperliche Erkrankung ignoriert.
Leider. Denn mit einer medikamentösen und ggf. chirurgischen Behandlung wäre das wahrscheinlich durchaus vermeidbar gewesen.
Soviel zur Krankheitseinsicht, da schützt einen nicht die allergrößte Erfahrung, mehrere medizinische Doktorgrade, und große analytische Fähigkeit vor kompletten Fehleinschätzungen bei sich selbst!
Eigentlich urkomisch, wenn es nicht um ein sehr schmerzhaftes Ende eines Menschen ginge, der für seinen großen Humanismus bekannt war, und der nun vielen Menschen - ganz existenziell - fehlt.
OK, das ist nun wirklich schwarzer Humor.
Zurück zur Selbstbestimmung bei Bipolarität.
Ich habe damit überlebt und mich jahrzehntelang irgendwie in der Gesellschaft, wenn auch oft mehr schlecht als recht und mit schweren Folgen, zurechtgefunden - auch ohne die Psychiatrie - und habe mir damit ein absolutes Mitspracherecht an meiner Behandlung und ein Minimum an Respekt von Seiten eines Arztes verdient, solange ich nicht im Bereich des PsychKG entscheidungs- oder einwilligungsunfähig bin.
So wie jeder andere Kranke auch.
Ich persönlich habe mich für Medikamente entschieden und kann es nur jedem raten, diesen Weg zumindest auszuprobieren.
Aber Selbstbestimmung ist trotzdem eindeutig für mich ein höheres Gut.
Medikation ohne die eigene, freie Entscheidung dazu ist langfristig erst einmal nichts wert. Punkt.
Vielleicht braucht es dazu erst eine Akutbehandlung, um so eine Entscheidung überhaupt rational treffen zu können, aber auch wenn jemand sich gegen Medikamente entscheidet, so ist dies grundsätzlich zu respektieren.
Ich habe damit, vielleicht zur Überraschung des einen oder anderen hier, kein Problem.
Nur - die Konsequenzen, die muss man dann auch tragen, so unangenehm sie auch immer sein mögen.
Das ist dann immer noch keine Frage von Schuld oder Ähnlichem. Ganz und gar nicht. Krankheit ist keine Schuldfrage. Schon mal überhaupt nicht bei Einer, die als eines der allertypischsten Symptome Krankheitsuneinsichtigkeit hat.
Es ist einfach Realität, dass man für die Krankheitsphasen so gut wie immer unangenehme und harte Konsequenzen tragen muss. Ob ohne oder trotz Medikation.
Die Krankheit ist ungerecht. Punkt.
Meine persönlichen Ängste vor Medikamenten hatten reale Hintergründe, lange dachte ich, ich wäre schizophren, und diese Bilder aus der Gerontopsychiatrie, sowie die Bilder meines teilnahmslos über Jahrzehnte hinweg dahinvegetierenden Cousins mit dieser Diagnose und stärkster, leider notwendiger Medikation, waren für mich Schreckensbilder, die ich nie vergesse. Ich habe auch keine Ahnung, ob ich wirklich besser dagestanden hätte, wäre ich zu dieser Zeit, während meiner ersten Manie, in psychiatrische Behandlung gekommen.
So sicher kann man da nicht sein, zu der Zeit. Das muss man wohl auch klar sagen.
Heute sieht Vieles anders aus.
Nicht wirklich gut, keine rosigen Aussichten, weit entfernt von perfekt oder auch nur zufriedenstellend.
Aber doch ganz deutlich besser, als früher, und vor allem dank eines anderen Selbstverständnisses der Psychiatrie im Großen und Ganzen, und nicht zuletzt durch eine Menge neuer medikamentöser Möglichkeiten, neue Erkenntnisse und andere Herangehensweisen, sowie differenziertere Behandlungsansätze, die das Wohl der Patienten sehr viel mehr in den Mittelpunkt rücken.
Vor den medikamentös-erfolgreichen Behandlungen war mein Humor über lange Strecken mit Sicherheit schwärzer und verbitterter - und des Öfteren auch komplett unerträglich negativ bis einfach nur böse......
Man selbst empfindet es ja nicht so - die um einen herum aber schon.
Und man muss antimanische Akutmedikation in einem Krankenhaus auch mal ganz klar von Nachbehandlung und Dauerbehandlung abgrenzen.
Wer in einer Klinik nach PsychKG eingeliefert wird, stärkste Neuroleptika zum Runterkommen braucht, und eingesperrt ist, der hat dann erstmal auch nicht viel zu lachen, wenn er runterkommt. Das ist dann auch erstmal eine sehr humorlose Sache, naturbedingt.
Das ist aber nicht das, was in einer Dauerbehandlung angestrebt wird.
Auch die direkten Folgen, manchmal sehr Existentielle und Schwerwiegende, einer Manie oder Depression sind oft alles Andere, als zum Lachen. Und die müssen erstmal abgefangen werden.
Und eine Anschlussdepression nach einer Manie ist auch kein Pappenstiel, und oft nur schwer bis gar nicht abfangbar, wenn nicht zufällig mit der Medikation ein Volltreffer erzielt und dabei auch sehr vorausschauend behandelt wird.
Phasenprophylaxe ist oft erst viel später wirksam, wenn überhaupt.
Medikamentöse Therapie, Dauertherapie, braucht Zeit, Zeit zu wirken, Zeit der Umgewöhnung, nicht nur körperlich, auch psychisch, und das braucht manchmal noch deutlich mehr Adaption, als die oft nebenwirkungsbehaftete Stoffwechselumstellung, und auch Glück und eine gewisse Frustrationsresistenz bei Fehlschlägen, die nicht selten, sondern anfänglich eher ein Normalfall sind, da eben nicht jedes Medikament jedem hilft, sondern Vieles Trial&Error ist.
Selbst, wenn man mit seinen Ärzten Glück hat, bei aller Compliance und auch bei erfahrensten Ärzten kann das so sein.
Lohnt sich aber trotzdem. Das ist zumindest meine Quintessenz.
LG,
M.