Hi Sumo
Dein Baum platzt zwar aus allen Nähten, aber ich will keinen extra dafür aufmachen. Ich finde das Thema sehr wichtig in Bezug auf die Bipo und es ist in gewisser Weise auch meins - aber nicht die Hochbegabung. Auf den IQ von irgendwem legte ich noch nie wert, denn man merkt auch so, ob jemand bescheuert ist, oder nicht. Aber hier in deinem Baum stößt du eine Tür auf, denn du hast vielen Zweiflern klargemacht, daß es dir nicht um ein Bessersein geht, sondern um das Anderssein. Und dass sich zu verstellen, sich kleinzumachen, sich anzupassen, diskriminiert zu werden krank machen kann. Ursachenforschung ist daher angebracht, und wenn das bedeutet, eine vermutete Hochbegabung sich bestätigen zu lassen, dann los!
Der IQ-Test in der Reha ergab 120, also liege ich genau auf halber Strecke zwischen Durchschnitt und Hochbegabung - und genau das ist meine größte Stärke: immer zwischen allen Stühlen zu sitzen! Hähähähää. Das klingt lustiger, als es ist, und auch das ist Story of my Life. Ich versuche es also zu verallgemeinern:
Worum es mir geht, sind die Auswirkungen, die es haben kann, wenn man als Kind seine Fähigkeiten nicht entfalten konnte, sie sogar regelrecht unterdrückt wurden. Denn Fähigkeiten sind Bedürfnisse.
Heutzutage kann ich sagen, ich bin glücklich. Aber daß ich mein Leben erst mal
so richtig an die Wand gefahren habe, hat vielfältige Ursachen, auf die ich nicht weiter eingehen muss. Eine davon ist aber sicherlich die MD, die in der Familie liegt (genetisch versaut eben hähä) und eine andere ist die flächendeckende Frustration meiner Fähigkeitsentfaltung als Kind. Ich hatte so viele brennende Interessen - wollte so viel lernen, so viel machen, so dringend - ich war die geborene Wissenschaftlerin, wollte forschen, reisen, war so neugierig und wissensdurstig, wollte Instrumente lernen, Sportarten erlernen, tanzen, mit Tieren umgehen. Und alles davon war mir versagt. Ich konnte immer nur zugucken. War ausgegrenzt, irgendwie paralysiert.
Die Schuld daran kann ich niemandem direkt geben (außer vielleicht dem, der für die finanzielle und psychische Misere der ganzen Familie verantwortlich war, aber der war verrückt und lebt auch nicht mehr). Meine Mutter hat sich, so kaputt wie sie war, den Buckel krumm geschuftet und ihr Leben quasi den Kindern geopfert und ich bin ihr sehr dankbar dafür. Aber.
Was ich vorgelebt bekam und was mir immer eingebleut wurde, war, daß man vom Leben nichts zu verlangen hat, daß Wünsche nichts mit der Realität zu tun haben. Es ging quasi um's Überleben, alles weitere ist Luxus, bloß keine Ansprüche stellen. So eine Scheiße. Als hätte man das Kriegstrauma mit der Muttermilch eingesogen und würde nun in der falschen Zeit damit leben.
Das konnte ich mit meinem Freiheitsdrang natürlich nicht akzeptieren, aber ich hatte kein Vorbild, war völlig orientierungslos. Ich wußte nur immer: Das, was ist und was möglich erscheint, will ich auf keinen Fall. Und das, was ich so dringend wollte, erschien unmöglich.
Später habe ich mir beigebracht, die Dinge möglich zu machen, aber als Kind/Jugendliche wusste ich das eben noch nicht. Ich war abgrundtief traurig, wütend, furchtbar einsam, rundum gefrustet und die Zukunft sah so trostlos aus wie die Gegenwart. Und ich war immer allein mit allem, habe nie mit irgendwem über irgendwas reden können. In der Grundschule wurde ich sogar regelrecht gemobbt von der Klassenlehrerein, die übelste Standesdünkel hatte und mich für dämlich erklären wollte und mich am liebsten auf die Förderschule hätte abschieben wollen. Weil ich einige ihrer miesen Spielchen nicht mitmachen wollte und wenig gesprochen habe. Dabei hatte ich schriftlich immer sehr gute Noten, da konnte sie nix machen.
Solchen Luxuskram ;-) wie Schulpsychologen habe ich nie gesehen, ich war auch immer gut in der Schule (auch wenn ich nie wert darauf legte, Noten waren mir völlig wurscht), bis eben die Phasen anfingen. Mit der ersten Depression und nachfolgender Hypomanie ging die Abwärtsspirale los. Auch das hat niemanden interessiert, von der Tröte aus der zerrütteten Familie erwartet man nichts anderes.
So ging ich also erst mal furios unter. Ich bin überzeugt davon, auch wenn ich nicht die genetische Veranlagung gehabt hätte, wäre ich als Jugendliche klinisch depressiv geworden. Es wäre nicht verwunderlich, denn meine Fähigkeiten und Bedürfnisse wurden immer kleingehalten, geistig und seelisch unterdrückt.
Und die Hypomanien - ehe ich von der Krankheit erfahren habe, hielt ich das immer für den großen Durchbruch, endlich frei, endlich ich ;-) Tatsächlich habe ich in den ersten Hypomanien Fähigkeiten zutage gefördert, die mir sonst nicht bewußt geworden wären, oder erst viel später.
So hat also die Bipo mich einerseits kaputtgemacht, aber andererseits auch gerettet.
Jaaaaa meiiine Güte, man wird ja wohl mal ein bißchen pathetisch sein dürfen!!)
So in etwa hängt das bei mir zusammen, sehr grob umrissen - die unterdrückten Fähigkeiten und die Bipo.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 27.07.15 13:52.