Auf meine Mutter bin ich nicht böse, sie kann nichts dafür. Hatte selber eine krasse Kindheit und später Depressionen und allerlei körperliche Gebrechen, mit denen sie erstere kompensiert hat.
Dass sie jetzt nicht für die Erkenntnis bereit sein kann, was bei mir massiv schief gelaufen ist, sei ihr auch nachgesehen. Sie würde zusammenbrechen, es würde sie umbringen, wenn sie wüsste, was sie mir angetan hat. Ja, angetan.
1987 wurde ich sechs Wochen in eine Kur geschickt und sie haben mich damit geködert, dass es auch um meine Psyche ginge. Als ich dort war, war es eine reine Abspeckklinik. Ca. 80 Kinder und Jugendliche und darunter genau 2 Gymnasiasten in meinem Alter. Kinder reicher Leute aus Hamburg, die hatten privaten Gesangsunterricht. Ich wusste nichtmal, was ein Döner ist. Und passte mich ganz brav an.
Ich musste mal von zu Hause weglaufen, weil Muttern durchgedreht ist, als ich blaues, auswaschbares (!!!) Gel in den Haaren hatte. 1988 in einer schwäbischen Kleinstadt.
Sie redet sich jetzt immer, wenn das Thema aufkommt, damit raus, dass ihr niemand Bescheid gesagt habe. Das stimmt so nicht. Es wurde gesagt, dass ich hochbegabt bin. Aber andererseits bekamen meine Eltern nichts an die Hand, womit sie meine Situation hätten verbessern können und so blieb es beim Seufzer: "intelligent aber stinkfaul".
Ich hab Literaturpreise gewonnen und auch einmal an einer Sommerakademie für Hochbegabte teilgenommen, für letzteres musste ich kämpfen und mich erklären, warum ich das will!
In der Schule gab es Lehrer, die brachten es entweder gar nicht fertig, mir zu gratulieren oder nur zähneknirschend. Mir wurde sofort signalisiert, dass das zwar alles schön und gut wäre, aber ich solle jetzt bloß nicht überheblich werden... "und sei halt nicht immer so schwierig!"
In der Sommerakademie saß ich zwischen hochbegabten Jugendlichen, die gefördert worden waren und kam mir unglaublich dumm und ungebildet vor; mit schwäbischem Akzent noch dazu!
Jungs durften schwierig sein. Die durften die allergrößte Scheisse bauen, das gehörte dazu. Ich nicht.
In meiner Not habe ich oft genug das Gespräch mit Lehrern gesucht. Die wussten, dass ich Selbstmordgedanken habe. Und da haben die gesagt: "Wir denken, du hast da was drüber gelesen und willst dich jetzt damit in den Mittelpunkt stellen." Das haben die mir gesagt. Und dass ich mich in den Mathelehrer und in den Schulpsychologen verliebt hätte. Nein! Ich war kurz vor dem verdursten und klammerte mich an jeden, der mir zutraute, einen intelligenten Gedanken zu teilen!
Und ich begann irgendwann, mir die Hände aufzukratzen, um den Druck loszuwerden. Mehr als strafende Blicke von Muttern und demütigende Verhöre beim Abendbrot gab es nicht. Und ich war nicht in der Lage, mich zu äußern, ich hätte mich gegen die Eltern gestellt, von denen ich abhängig war.
Ach, das ist doch alles eine riesengroße Scheisse. Aber ich bin sicher nicht die einzige auf der Welt, also hör ich jetzt mal wieder auf zu jammern und kümmere mich um mein Tagwerk.
Sumosimi
Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.