Unterschätze die Gastro nicht. Gastro ist ein Sammelpool für alle möglichen Freaks und Gestrandeten, aber nur die harten bleiben dabei. So bin ich nicht der einzige Freak.
Küchenchef kannst du als Vollpfosten nicht machen und auch das À-la-carte-Geschäft fordert Intelligenz, Flexibilität, die Fähigkeit blitzschnell die richtigen Entscheidungen zu treffen und Multitaskingfähigkeit.
Wenn ich drei Sechsertische hintereinander gebont kriege, muss ich innerhalb von Sekunden wissen, wo ich anfange und wo ich aufhöre, damit die Gäste nicht zu lange warten müssen. Ich kann alle zwei Minuten ein Essen schicken. Da muss ich wissen, wann ich welche Zwiebel in welche Pfanne schmeisse, welche Bons ich wie zusammenziehe und wann der richtige Zeitpunkt ist, das Schnitzel auf die Griddle zu hauen, damit es nicht verbrennt oder warm gehalten werden muss oder noch blass ist, während das Gemüse schon auf dem Teller liegt. Und zwischendrin den richtigen Zeitpunkt finden, die Platte abzuschalten, auf der die Pfanne mit den Käsespätzle steht, damit der Käse mit der Restwärme schön bräunt, aber nicht anbrennt.
Logistisch ist das Hochleistungssport, die meisten Köche können auch nur 4-6 Stunde à la carte machen, dann geht die Konzentration komplett flöten.
Einmal musste ich 25 Crumbles schicken, die müssen im Salamander kross übergrillt werden und ich hatte nur vier Dessertschalen, von denen auch nur drei gleichzeitig in den Salamander passen, aber natürlich wollen alle ziemlich zeitgleich ihr Dessert. (Da hat der Chef nicht mitgedacht, als er mit der Gesellschaft ausgemacht hat, es gebe Crumble als Dessert.)
Erstmal hab ich mich aufgeplustert und ihm gesagt, dass ich nicht weiss, wie ich das nun machen soll. (Er sollte ruhig ein paar Schweisstropfen vergießen.)
Nach wenigen Sekunden wusste ich, was zu tun ist: die Kompottmasse im Dampfgarer heißschießen, eine große Schüssel Butterstreusel herstellen, auf Bleche verteilen und ihm Ofen so schnell wie es geht knusprig backen. Dann die Kompottmasse in kleine Suppenteller verteilen und die Streusel einfach drüberstreuen. Nach zwanzig Minuten hatten die alle ihren Crumble.
Ich bin die meiste Zeit Alleinköchin, das heisst, ich muss an alles selber denken. An alles, was in einer Küche anfällt.
Ich war mal wo probearbeiten und hatte dort nach zweieinhalb Tagen die Küche im Griff. Ich dachte, das wäre normal und könne von mir verlangt werden. Mittlerweile hab ich so viele Köche erlebt, dass ich weiss, es ist nicht normal. Manche Köche kriegen die Küche nie in den Griff und sind besser an einem einzelnen Posten aufgehoben.
Und man muss sich immer neuen Input holen, permanent seine Arbeitsweise überdenken, den Gästen immer wieder was neues bieten. Deshalb liebe ich den Beruf so, weil er ein ganz breites Spektrum an Herausforderungen bietet und kein Tag gleich ist. Nie. Und man kann nie auslernen, man kann von anderen immer noch was lernen, auch wenn man schon 40 Jahre kocht.
Und ich hab keine Angst, dass die mich fertigmachen wollen oder so. Ich hab Küchencheffe auf meiner Seite, der kennt mich seit zehn Jahren und profitiert von meiner Intelligenz nicht zu knapp, es ist ihm nur nicht immer ganz klar, weil wir lange nur zu zweit waren. Aber je mehr andere Köche wir durchwinken, desto mehr weiss er meine Fähigkeiten zu schätzen.
Mein ebenfalls hochbegabter Ex-Kollege meinte mal, die Kellnerinnen hätten Angst vor mir. Ich fragte die dann, die lachten aber und sagten, nee, ganz bestimmt nicht. Der Ex-Kollege korrigierte sich und meinte, die hätten aber schon einen Heidenrespekt. Ja, das sollen die auch haben, das ist gut so! Je weniger sie mit mir diskutieren, desto leichter haben sie es mit mir ;-)
Ich frag sogar oft nach, ob ich zickig sei, wenn ich mir selber so vorkomme. Nö, sagen die dann, ein bisschen grantig vielleicht, aber nicht mehr als sonst.
Es ist nicht so, dass ich nur noch an mich denken will. Ich will
auch mal an mich denken.
Sumosimi
Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.