So, ihr Lieben,
da bin ich - Tag zwei.
Die Nacht war, sagen wir mal *interessant*: Zunächst mal konnte ich zwei Stunden deshalb nicht einschlafen, weil mir ein Horrorszenarium nach dem anderen durch den Kopf ging. "Was ist, wenn mein Liebster stirbt oder meine Ma oder meine Schwester?" / "Was ist, wenn ich Krebs krieg oder sonstwas Unheilbares?" - "Werd ich auch dann staubtrocken bleiben können?"
Ich hatte diese Gedanken (noch und noch) und hab sie zugleich beobachtet und analysiert. Zwei Dinge hab ich dabei erkannt: Zum einen, dass es der Suchtteufel ist, der mir suggerieren will "Du bist zu schwach, du schaffst es nicht - wenn Katastrophen eintreten, krieg ich dich wieder, also brauchst du es gar nicht erst zu versuchen..." Aha!
Der zweite Punkt war der, dass mir offensichtlich das "
NIE wieder Alkohol" ziemliche Angst macht, denn kleinere und größere Katastrophen gehören zum Leben und werden eintreten, mal weniger existentielle, mal erschütternde. Wieder ein großes Aha!
Erst, als ich erkannte, was ich da grad mit mir am veranstalten war, wurde ich ruhiger und konnte dann endlich einschlafen. Bergsteiger-Taktik: Wenn ich am Fuße eines Riesenberges stehe, den ich besteigen will, und dann an die vielen kleinen und großen Katastrophen denke, die mir beim Aufstieg passieren könnten, dann laufe ich niemals los. Auch dann nicht, wenn ich denke 'Das schaffst du NIE, irgendetwas Schreckliches WIRD dir passieren, also kannst du es gleich lassen'. Wenn ein Bergsteiger SO denken würde, könnte er tatsächlich NIE den ersten Schritt machen. Und den zweiten, dritten, vierten... Es kann also nur darum gehen, beharrlich (und mit Gottvertrauen und Achtsamkeit) einen Schritt nach dem anderen zu gehen - es gibt immer nur 'heute', letztlich JETZT.
Heute stirbt hier keiner und eine Diagnose über irgendwas Unheilbares werd ich heute auch nicht kriegen. So what?!
Was ich heut nacht gelernt habe: Der Suchtteufel ist sehr sehr erfinderisch - ich muss also auf der Hut sein vor Gedanken wie diesen. Und: Da ich nicht wissen kann, welche kleinen, mittleren und größeren Katastrophen mein Leben mir wann bescheren wird, kann ich auch nicht wissen, wie stark oder schwach ich dann sein werde, letztlich wie ich dann handeln werde. Kann ich jetzt wissen, ob ich dann den Freitod wählen würde? Oder ob ich bis dahin so stark und gefestigt sein werde, dass ICH dann der Fels in der Brandung für andere wäre? Also alles Bullshit und auf dem Mist des Suchtteufels gewachsen.
Also Bergsteiger-Taktik: Mut, Kraft (mit jedem Tag mehr) und Achtsamkeit. Eine gute Ausrüstung, Proviant und Mitstreiter auf meinem Weg, die mich (sollte ich drohen zu straucheln) mit ihrem Seil abfangen. Basislager und Zwischenlager einplanen (Belohnungen) und meine Kräfte gut einschätzen und aufteilen. Und dann los. Jeder Tag eine Wegstrecke, jede bewältigte Wegstrecke ein Sieg, der meinen Mut und meinen Willen stärken werden. Und immer schön achtsam - einen Fuß vor den anderen. Nicht an den Gipfel denken - nur SEIN, hier, jetzt: trocken.
Liebe Grüße an alle, die mich begleiten auf meinem Weg. Jakkie
Gruß, Jaqueline
Alles ist für was gut.
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„Ein Tropfen Liebe ist mehr
als ein Ozean Verstand.“
(Blaise Pascal)