Guten Morgen,
im gestrigen Aufnahmegespräch wurde mir mitgeteilt, dass ich nicht ausgeglichen, sondern hypomanisch wirke. Das wurde mir etwa nach 5 Minuten gesagt, weil die das offensichtlich fanden. Ich hätte zum Beispiel zu schnell und viel zu laut gesprochen. Das wurde mir gestern mehrfach vom Personal, aber auch von Mitpatient_innen rückgemeldet. Ich merke das nicht. Ich merke nur, dass mir meine gesprochenen Worten verglichen mit meinen gedachten langsam vorkommen und wenn ich meine Stimme senke, ist die zum Teil wohl immer noch zu laut. Durch die ständige zwar freundlich, aber ausbremsende Reaktion hier ist mir aufgefallen, dass unter anderem meine Mutter mehrmals ähnliche Rückmeldung gegeben hat. Irgendwie habe ich das ziemlich gekonnt überhört.
Es hat mich total befriedigt, dass ich in der letzten Zeit in meinem Stimmungskalender "ausgeglichen" angekreuzt habe. Ich hatte das ausgeglichene Gefühl lange nicht mehr gespürt. Ich dachte, dass sei meine Ruhe nach der Depression und ich hätte genug Zeit, bevor die nächste Phase kommt. Nun habe ich gestern erneut erlebt, dass meine Einschätzung sich wenig mit der aus meinem Umfeld deckt. Gestern fand die Aufnahme eines geplanten Aufenthalts statt. Ich war und bin der Ansicht, dass ich zur medikamentösen Einstellung komme, die stationär begleitet werden muss, allein weil ich aktuell keine ambulanten Strukturen habe, aber dass ich zurzeit symptomfrei bin, was für die gemeinsame Arbeit praktisch ist. Ich bin zu Hause so produktiv und konzentriert gewesen und ich erlebe meine Stimmung eben als ausgeglichen. Mir ging es gestern nicht anders als die letzten Wochen. Nur sind hier mehr Reize als zu Hause und mehr Menschen zum Festquatschen. Mir ist schon aufgefallen, dass ich gestern schnell abgelenkt war, zum Beispiel bin ich nicht einmal mit Auspacken fertig geworden. Plötzlich lag meine Zimmernachbarin schon schlafend im Bett und ich habe gemerkt, dass es Zeit wird, leise zur Ruhe zu finden.
Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich komme mir nicht drüber, sondern ausgeglichen vor. Ich finde die Rückmeldung respektvoll vorgetragen, aber sie verärgert mich etwas, weil ich das so nicht wahrnehme und ohnehin zurzeit den Eindruck habe, etwas kleingehalten zu werden, zumindest bezüglich meiner Grundstimmung. Zum Glück ist es für die aktuelle Behandlung erst einmal nicht so wichtig, ob ich hypomanisch oder nicht bin. Wir fangen zum Beispiel mit einer sehr kleinen Medikamentendosis an. Da kann ich ganz mitgehen. Solange der leitende Psychologe die Art und Weise, wie meine Worte bei ihm angekommen, humorvoll spiegelt, weiß ich zudem (ich kenne ihn bereits länger), dass er mein Erleben im Miteinander hier im Rahmen findet.
Ich war etwas empört, als die im Aufnahmegespräch anfingen, darüber zu diskutieren, ob es irgendwie möglich ist, mich in ein Einzelzimmer zu legen, damit ich meine Zimmernachbarin nicht störe. Ich finde, ich neige eher dazu, zu rücksichtsvoll zu sein und mich dabei mitunter so zurückzunehmen, dass das für mich ungesund wird. Mir ist dann im Laufe des Abends aufgefallen, dass sie wirklich andere Ruhezeiten als ich hat. Zu Hause habe ich kaum gemerkt, dass ich reduziert schlafe, obwohl ich meine Schlafstunden notiere, aber auch diese kann ich beschönigt betrachten. Die Stimmung verfärbt echt alles.
Na ja, zumindest zeigt mir das einige Gründe auf, warum ich mich für diesen Aufenthalt entschieden habe. Ich kann auch darüber schmunzeln, aber ich hoffe, ich bedauere es nicht, dass mein Befinden sich unter dem Medikament ändern wird, wenn die Außenwahrnehmung korrekt ist und ich etwas drüber bin. Ich will eigentlich so bleiben, wie ich gerade bin. Bzw. ausgeglichen sein und ich denke, ich bin das. Ich habe Angst, dass wenn die mich als ausgeglichen wahrnehmen, dass ich mir dann gedrückt vorkomme.
Ich wünsche allen ein gutes Wochenende,
Achterbahnfahrerin