Hi Lila_Lola92,
habe mir das hier mal alles durchgelesen. Schön zu sehen, dass sich nicht viel verändert, was die Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen angeht...
6 Wochen ohne heißt erstmal nur, dass du nicht durch irgendeine Dosisunterschreitung oder Absetzerscheinungen direkt in eine schwerere Phase geraten bist.
Glückwunsch dazu.
Wenn es nicht wiederkommt, ohne dass du was als Prophylaxe machst, dann bist du wohl nicht bipolar.
Wenn du aber bipolar bist, kommst du ohne irgendwas mit Sicherheit nicht aus.
Ich kenne es "mit ohne alles", mit verschiedenen Medikamentenkombis, die von katastrophal bis gut verträglich liefen/laufen, und der freifliegende Teil war bis jetzt mit 19 Jahren (ohne Teenagerdepressionen mit einzuberechnen, also nach der ersten Vollmanie) der längere.
Mein Fazit: Ich komme jetzt, ohne Berufsleben oder Familie, mal so hin, dass ich mit einem Antidepressivum dauerhaft, plus eine Schublade mit Quetiapin unretardiert und Bromazepam als Akutmedis, ein zweifelhaft stabiles Leben führe, dass für Andere sicher noch in den Bereich "schwer bipolarer Lifestyle" fallen könnte. D.h. ich habe zwar keine Manien, da ich die im Keim ersticke, mit den Bedarfsmedis, ich nehme in größeren Abständen für einige Tage, in Extremfällen aber auch Wochen, das Benzo, und komme immerhin so hin, dass ich wieder einige soziale Aktivitäten und kreative Dinge machen kann. Aber "problemfrei" ist das noch lange nicht. Es ist ein Kompromiss zwischen Leben mit bipolarer Störung und einem sehr eingeschränkten Leben mit bipolarer Störung und weniger Symptomen und größerem Auffangnetz.
Aber die eine Illusion habe ich schon bei meiner Diagnose mit 39 nicht mehr gehabt: Dass man prima ohne Medikamente mit einer ernsthaften bipolaren Störung leben kann. Das kann man nicht. Oder man hat sie nicht.
Ich kann die Katastrophen kaum aufzählen, die ich alle schon aufgrund der bipolaren Störung hatte, und schwere Krisen gibt es auch weiterhin. Und ich habe so ziemlich jeden blöden Tipp schon ausprobiert.
(An der Stelle möchte ich gerne mal was über die Heilpflänzlein Baldrian und Johanniskraut sagen. Baldrian hat bei mir gerade mal etwas mehr Wirkung als ein Placebo und bringt mich zumindest nicht im Ansatz zum Schlafen oder in einen ruhigeren Zustand, wenn ich es bräuchte. Im Ernst: Wenn überhaupt, dann hat Hopfen auf mich noch eine beruhigendere Wirkung. Und nein, dazu muss man kein Bier trinken, gibt es auch ohne Alkohol.
Aber die Wirkung ist lächerlich, verglichen mit einem wirksamen Medi.
Und Johanniskraut, nun... Ich würde sagen, das ist eine nebenwirkungsbehaftetere, schlecht wirksame Variante eines SSRIs. Wenn ich damit den Effekt von, sagen wir mal Citalopram, erreichen wollte, dann bin ich bei einer wirksamen Dosis lichtempfindlich wie ein Albinokaninchen in der Sahara...
Wobei ich mit SSRI als Dauermedi neben den erfreulichen auch ganz besch...eidene Erfahrungen gemacht habe. Ein für mich katastrophaler Wirkverlust nach 2 Jahren, durchaus ernsthaftere Nebenwirkungen während der Einnahmezeit. Aber eben durchaus wirksam. Richtig wirksam, leider nur auf Zeit bei mir.)
Leben ohne doppelten Boden oder Rettungsleine kann ich absolut niemandem empfehlen. Ein Wunder, dass ich die medifreien Jahre überhaupt überlebt und darin irgendwas geschafft habe.
Schön für dich, dass du nie Suizidgedanken hattest, aber deswegen bist du noch lange nicht auf irgendeiner sichereren Seite. Vielleicht war auch bis jetzt einfach keine Lebenskrise schlimm genug. Irgendwann kommt eine, und dann zeigt, sich, wie bipolar du bist. Und im Ernst: Ich würde dir wünschen, bipolar wäre eine Fehldiagnose und du kämest dauerhaft ohne Medis blendend zurecht. Ich kenne aber leider wirklich absolut keinen Bipolaren, auf den das zutrifft. Und ich habe eine Menge Bipolare in der Familie und im Freundeskreis.
Eher das Gegenteil ist der Fall. Selbst mit Medis ist das Leben mit bipolarer Störung eine weit größere Herausforderung, als sich die meisten Menschen vorstellen können.
Wie gesagt: Viel Glück. Nichts würde mich mehr freuen, als dass du auch ohne Medis ein phasenfreies normales Leben führen könntest. Die Erfahrung sagt mir: Das geht nur, wenn man nicht bipolar ist. Und von wegen Heilung... Vergiss es. Gibt es nicht. Daran zu glauben ist Religion, ein Hoffen auf ein Wunder, und ich persönlich halte es für absoluten Blödsinn, das zu tun, die Wissenschaft und Erfahrungswerte derer, die es haben, sagen das Gegenteil, einmal bipolar, immer bipolar.
Also, liebe Grüße und pass auf. "HAPPY" ist ziemlich glücklich, sehr glücklich, oder? Wenn du bipolar bist, und ohne Medikamente, dann würde mich selbst bereits das beunruhigen. So ist das leider, ohne Medis. Man muss ständig wachsam sein und selbst dann geht es so gut wie immer schief. Verhalten alleine reicht nicht. Und Diäten, Yoga oder Fischöl auch nicht, oder was sonst du so vorhast, um dauerhaft ohne Medis stabil zu bleiben. Klingt sarkastisch. Ist es auch. Trotzdem viel Glück, denn jeder hat ein Recht auf Krankheit, leider nicht auf Gesundheit,
M.
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 06.05.20 18:10.