Versteh' mich nicht falsch, Yeshi,
aber da geht es schon um was Wesentliches.
Es gibt ja mehrere Modelle, die psychologisch versuchen, Depressionsentstehung zu erklären (z.B. Beck's Kognitions-Ursachen-Modell, Tellenbachs empirische Forschungen zum Typus Melancholicus, der bei Bipolarer Störung wohl recht häufig ist, die neurotische Abwehr eines frühen Verlustes von Objekten, Aufmerksamkeit etc.., und auch das Modell der 'erlernten Hilflosigkeit').
Das Modell der Erlernten Hilflosigkeit, dass du wohl ansprichst, habe ich in der ausführlichen Form allerdings auch so verstanden, dass nicht das depressive Verhalten durch Übernahme erlernt wird, sondern eben durch die Erfahrung der
Hoffnungslosigkeit (wenn ein großer Stress oder ein längeres Trauma nicht durch die eigene Verhaltensreaktion abgestellt werden kann, z.B. wenn Eltern die frühkindlichen Bedürfnisse nicht adäquat befriedigen können, egal, wie das Kind sich verhält, andere Beispiele: Extremerfahrung durch KZ-Haft, Altersunterbringung in Alten- und Pflegeheimen). Der später Depressive lernt so, dass, egal was er tut, die Situation unbefriedigend bleibt, und stellt dann die Anstrengungen, diese zu verändern ein. Diesen Lerneffekt hatten übrigens die Vertreter dieses Modelles ursprünglich an Tierversuchen an Hunden untersucht. Offensichtlich versucht wahrscheinlich jedes Säugetier im Überlebensstreß zwecklose Handlungen zu erkennen und dann zu vermeiden...was dann bis hin zur Apathie geht, die aber eben Energie sparen soll, um das Leben zu verlängern.
Selbst in diesem lernbasierten Modell ist nicht das Entscheidende, was als Lösung bei Stresssituationen vorgelebt wird, sondern vielmehr, dass eine de facto hoffnungslose Situation entsteht, in der man durch
eigene reale Erfahrung lernt, den Stress nicht durch unnötige und frustrierende Handlungen zu erhöhen.
Depressives Handeln ist selbst in diesem Modell nicht 'abgeguckt', sondern durch eigenes Erleben (Versuche und Misserfolge, bis klar ist, dass das Gewünschte oder sogar Notwendige nicht zu erreichen ist, mit egal welchen eigenen Handlungen).
Ich finde das sehr grundlegend und wichtig, dass man sowas diskutiert.
Die Annahme, dass man depressives Verhalten einfach durch Übernehmen erlernen würde, greift in meinen Augen einfach deutlich zu kurz, selbst für das Prinzip der erlernten Hilflosigkeit. dass nur eines der Erklärungsmodelle ist. Auch das kleinste Kind lernt nicht, indem es einfach alles nachmacht, sondern es muss daraus einen Vorteil ziehen, damit daraus ein Lernerfolg entsteht, es bedarf einer Motivation.
Lernen ist ja kein Selbstzweck sondern eine Überlebensstrategie. Aus dem Nachahmen des depressiven Verhaltens von Eltern müsste ein Vorteil gezogen werden. Eltern werden nur in den allerseltensten Fällen depressives Verhalten belohnen. Der Vorteil liegt für das Kind viel eher in der Vermeidung negativer Frustrationserlebnisse durch Handlungsversuche. Die erlernte Hilflosigkeit kann auch durch völlig andere Bedingungen als falsches oder depressives Verhalten der Eltern ausgelöst werden, z.B. elementare materielle Mängel (Hunger, Kälte) uvm.
Erlernte Hilflosigkeit als einfaches Übernehmen darzustellen wertet dazu noch den Betroffenen ab, weil es quasi einen 'dummen' Lernprozeß annimmt.
Jo, tut mir nun leid, dass ich da so ins Detail gehe, wer das nicht lesen mag, muss das ja nicht.
Mich ärgert nur manchmal das Vortragen von Theorien, die so vereinfacht dargestellt werden, dass sie einfach unstimmig sind.
Schliesslich gibt es dazu ja viel ernstzunehmende Forschung, nicht jeder psychisch Kranke muss das Rad neu erfinden, das ist ja kein weisser Fleck auf der Landkarte der Medizin, Psychologie oder Naturwissenschaften.
Mir geht's dabei nicht jetzt nicht Konfrontation oder Provokation.
Ich fühle mich durch verkürzte Theorien abgewertet, das macht mich ein wenig zornig, und wer depressiv ist, den wird es wohl eher depressiv machen....
LG,
M.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 04.05.12 19:46.