Hallo Kassandra !
Ich habe mir in allererster Linie deinen ersten Eintrag durchgelesen, den Baum und die Inhalte meiner Vorredner aber nicht 100%-ig weiter verfolgt. Aber dein Eintrag mit deiner Überschrift hat mich sehr neugierig gemacht. Ich bin auch ganz neu hier im Forum und sieh dich erstmal nicht als jemand, der allein mit seinen Problemen und seiner schwierigen Situation dasteht. Ich befinde mich mit meinem Ehemann auf Grund seiner bipolaren Erkrankung genau in derselben Lage. Bei meinem Mann fing seine Episode (gerade manisch) auch Ende Juli an. Mein Mann hat allerdings keine Mischzustände. Trotzdem sehe ich sehr viele Parallelen in deinen Schilderungen und kann sehr gut nachvollziehen, wie du dich fühlst. Mein Mann ist mit Beschluß in der Psychiatrie und ehrlich gesagt, ist das auch meistens in der Manie der beste Weg.
Nur so kannst du selbst zur Ruhe kommen und überlegen, wie dein Leben weitergehen soll, zu welchen Bedingungen und ob überhaupt. Das du viele Zweifel hast über die Sinnhaftigkeit deiner Ehe, ist logisch. Wenn man jeden Tag etwas anderes von seinem Partner hört, weiß man irgendwann selbst nicht mehr, was richtig ist und was falsch ... Trennung oder zusammen bleiben, Scheidung oder diese Phase überstehen ? Ich kann mir gut vorstellen, daß du eher dazu tendierst, bei ihm zu bleiben, denn du hast dich ja in einen gesunden (?) "normalen" Mann verliebt und diesen geheiratet und bisher auch alles überstanden. Es heißt nun auch nicht umsonst "in guten wie in schlechten Zeiten". Will dir damit natürlich nicht einreden, daß du bei ihm bleiben sollst, das muß wirklich jede(r) für sich selbst entscheiden. Ich kann dir nur von meiner Seite aus sagen, daß ich mit meinem Mann identische Erlebnisse hatte, die dir auch widerfahren sind und ich habe mich entschieden, diese Krankheit mit ihm zu tragen. In manischen Episoden mußt du viel ertragen, von existenzieller Zerstörung bis hin zu sexuellen Ausschweifungen mit anderen, das muß dir auch für die Zukunft bewußt werden - er wird dich mit Taten und Worten wahrscheinlich demütigen und verletzen, aber ebenso wird er sich in depressiven Episoden an dich wenden, weil du ihm Halt, Kraft und Liebe geben kannst. Ist natürlich nicht der erstrebte Weg einer Ehe, aber willst du diese mit ihm aufrecht erhalten, geht es nicht anders.
Ich bin auch bis an meine eigenen psychischen Grenzen gegangen und war oft am Verzweifeln. Habe nun für mich den Weg gefunden, mir was "Gutes" zu tun, in dem ich mich einer Angehörigengruppe angeschlossen habe. Beim Sozialpsychiatrischen Dienst deiner Stadt kannst du dir z. B. Infos holen, oder du googlest im Internet nach 'BApK'. Dort kannst du dich auch mal so richtig Auskotzen oder Ausheulen und keiner wird komisch gucken oder dich bemitleiden, denn ihr sitzt alle im selben Boot, außerdem kannst du wertvolle Ressourcen schöpfen und irgendwann dein Wissen weitergeben. Im momentanen Akutfall wurde mir selbst gerade eine Psychotherapie zur Aufarbeitung all der Jahre nahe gelegt. Ich bin gerade auch für alles offen, von daher ... warum nicht !? Wenn du dich dazu auch entscheidest, kann es höchstens passieren, daß du lange auf Termine warten mußt (wie das nun mal so ist bei Psychologen). Ansonsten sollte sowas eigentlich recht unkompliziert ablaufen, deine Krankenkasse dürfte nicht aufmucken, Therapien zur Krisenintervention (i. d. R. 10 Sitzungen) sind überschaubar.
Ich nehme seit einigen Wochen erstmals selbst Medikamente zur Stabilisierung meines Gefühlslebens. Sollte natürlich nur ein letzter Ausweg sein, wenn dir alles über den Kopf hinaus wächst. Ich fühle mich aber wesentlich besser damit und gehe abends ohne großartige Grübeleien zu Bett.
Was du noch selbst für deinen Mann tun kannst ? Klar, du möchtest sicherlich erstmal wissen, woran du bist und ob er wieder zu dir zieht !? Laß ihn auf dich zukommen, ohne ständig Druck auszuüben. Laß ihn einfach nur wissen, daß du immer für ihn da bist und daß er sich jederzeit an dich wenden kann. Andererseits zieh auch selbst klare Grenzen, wenn dir etwas zu viel wird, z. B. mit Beleidigungen oder Verletzungen, so unter dem Motto "Das muß ich mir jetzt nicht geben, wir können ein anderes Mal weiterreden, wenn es dir besser geht". Wenn er dich erstmal auch wegschickt, zieh dich zurück, kann passieren, daß er dir im Nachhinein noch weh tut.
In einer Gesundheitsphase kann es hilfreich sein, wenn ihr zusammen einen Krisenplan ausarbeitet. Du solltest alle Kontakte seiner behandelnden Ärzte haben, die du
im Notfall einschalten kannst. Wenn es wieder in der Psychiatrie endet, laß dich nicht vom Personal abwimmeln und für blöd verkaufen. Am besten sogar, dein Mann stellt dir eine Vollmacht aus, aus der hervorgeht, daß du befugt bist, auch Akteneinsicht zu haben, wenn dir etwas an der Behandlung spanisch vorkommt. Bei meinem Mann war lange Zeit auch eine gesetzlich bestellte Berufsbetreuung erforderlich (selbst auch als wir schon verheiratet waren), da er in der Krankheitsphase keinerlei
Vertrauen zu mir hatte was finanzielle Regelungen angeht. So ein Betreuer ist zudem auch rigoroser wenn es um Kontensperrung geht, wenn bei dem Kranken die Gefahr besteht, sich finanziell selbst Schaden zuzufügen. Außerdem kann er dich entlasten bei Behördengängen oder sonstigen Regelungen während seiner Krankheitszeit - bist ja bestimmt berufstätig und schon genug eingespannt. Solch eine Betreuung ist zu beantragen beim Amtsgericht bzw. Vormundschaftsgericht, das kann übrigens auch anonym getätigt werden ! Ansonsten ist eine übermäßige Kontrolle oder Überwachung deines Mannes nicht ratsam, weil du ihm so das Gefühl geben könntest, ihn zu bevormunden, was seiner Psyche auch nicht gut tut. Entwickle einfach ein paar Routinen oder Tricks, wie du ersehen kannst, ob er seine Medikamente zur Prophylaxe regelmäßig einnimmt und wenn dein Mann nichts dagegen hat, wenn du ihn bei den Facharzt-Terminen begleitest, um so besser.
Schwierig wird es vielleicht nur in der Manie, wenn er nicht einsichtig ist, daß er krank ist. Wird bestimmt sehr anstrengend, ihn zum Arzt oder ins Krankenhaus zu bewegen. Vielleicht ist eine weitere Vertrauensperson aus dem Familien- oder Freundeskreis ein kompetenter Partner an deiner Seite !? Wenn du leise Anzeichen einer Eigen- oder Fremdgefährdung verspürst, solltest du zum Wohle aller reagieren, nötigenfalls auch gegen seinen Willen (z. B. 112 anrufen) - übrigens sagt der Gesetzgeber, daß eine Eigen- bzw. Fremdgefährdung schon darin besteht, wenn jemand mit einer akuten psychischen Erkrankung Auto fährt und er nicht mehr Herr der Lage ist, wollte ich nur noch mal anknüpfen an das was du geschrieben hast.
Tja, und ehe ich dich hier mit noch mehr Zeugs volltexte, laß erstmal alles in Ruhe sacken. Ich wünsche dir für die kommende Zeit viel Kraft und für deinen Mann baldige Besserung seines Zustandes. Würde mich aber natürlich auch auf Antwort von dir freuen, wenn du magst :-) Wie gesagt, du bist nicht allein und ich bin auch froh, wenn ich mich mit jemandem austauschen kann, der gerade ähnlich Schlimmes durchstehen muß.
Ganz liebe Grüße von M.