Hallo nochmal,
ich habe nochmal weiter über den "Verzicht" nachgedacht und kam da noch auf weitere Aspekte. Solange dieser Verzicht eine persönliche Entscheidung auf seinem eigenen Weg ist und man für sich entdeckt hat, das er einem gut tut und dies etwas ist, was einem liegt und sich für einen richtig anfühlt, ist es okay.
Aber ich stelle den (persönlichen) Wert des Verzichtes in Frage, wenn dieser entweder bewusst oder unbewusst auf folgenden Gründen beruht:
- Wenn Verzicht mehr auf ein Lifestyle beruht, weil es gerade hip ist im Minimalismus zu leben
- Wenn mit dem Verzicht kocketiert und teils auch moralisiert wird (Klimawandel nehme ich da mal raus) und es eben doch eher zu einer Challenge wird, wo man sich gegenseitig misst und bewertet oder es als ein Stilmittel benutzt, um sich über andere stellen zu können
- Wenn der Verzicht über etwas hinwegtäuschen (oder hinweghelfen) soll. Wenn eine eigentliche Kränkung und Enttäuschung nur umfunktioniert wird. Wenn es eher zu einem "sich selbst einreden" wird, weil das angenehmer ist, als sich der Kränkung bewusst zu stellen. Wobei natürlich die Frage ist, ob dies nicht auch eine legitime Strategie wäre, wenn es dazu führt, dass man sich damit besser fühlt. Es besteht aber die Gefahr, dass die Kränkung immer mal wieder durchbricht.
Gerade den letzten Punkt finde ich interessant. Es ist etwas anderes, wenn man seine Kränkungen und Enttäuschungen für sich bearbeitet, seine Trauerphase bewältigt hat und zu der Erkenntnis gelangt ist, dass man als Mensch eben seine Grenzen hat und diese bewusst akzeptiert. Dann ist es aber für mich nicht mehr ein Verzicht, sondern einfach eine Akzeptanz, dass ich bestimmte Dinge nicht machen kann und ich damit auch umgehen kann und es mein Leben nicht mehr negativ beeinflusst.
Verzicht würde im Gegensatz zur Akzeptanz für mich in dem oben diskutierten Bereich bedeuten, dass ich meine Grenzen nicht akzeptiert habe, dass ich nur meinen inneren Drang, es doch zu wollen, versuche im Zaum zu halten und dadurch auch viel Energie aufwenden muss. Akzeptanz finde ich da befreiender, weil ich keinen Drang mehr verspüre, sondern es okay für mich ist, es nicht tun zu können oder bei bestimmten Dingen nicht mithalten zu können.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 03.08.19 23:44.