Guten Abend zusammen,
also - fürs Erste bin ich doch etwas überrascht dass, bis auf ganz Wenige - insbesondere Deborah und Frech - kaum jemand dem, was ich selbst als zentral wichtig für einen gesunden Lebensstil erachte, für sich selbst folgen kann (oder möchte).
Auf den zweiten Blick: Ich kann es, wenn ich auf meine eigene Entwicklung zurückblicke, doch auch verstehen - sogar bestens. Denn auch in meinem Leben gab es eine Zeit, sogar eine verdammt lange Zeit, in welcher ich immer nur "die von der Krankheit mir auferlegten Einschränkungen" vor Augen hatte. Einschränkungen, die ich einfach nicht akzeptieren wollte, nicht akzeptieren konnte. Gegen welche ich mich, folglich, immerfort auflehnte, mal so, mal anders. Ich befand mich, mit anderen Worten - in der Opferrolle.
Nun geschieht es in unserer Welt täglich mannigfach, dass Menschen schicksalhaft Verletzungen, Kränkungen, Zurücksetzungen, Verluste etc. erleiden, mit anderen Worten, dass sie Opfer werden. Opfer einer Krankheit, eines Unfalls, eines Verbrechens. Oder auch Opfer von Verführungen aller Art. Sowie auch Opfer eigener Fehlentscheidungen.
Die Frucht meiner 'Lehrjahre', für die ich selbstverständlich wie jeder andere auch, und wie es sich gehört, 'Lehrgeld' bezahlt habe, ist: Jede/r muss das für sich selbst entscheiden - aber man kann es entscheiden. Und ich jedenfalls lebe viel besser, seit ich aus der Opferrolle ausgestiegen bin.
Mein Leben ist eben nunmal so gelaufen wie es gelaufen ist. So wie jeder Fluss seinen ureigenen Weg 'geht', ist mein Leben eben 'so' gelaufen. Es bedarf, an und für sich, keinerlei Wertung. Ja, die Gründe, warum der Fluss an einer bestimmten Stelle den Weg so oder anders genommen hat - für die interessiere ich mich. (Siehe erster Baum vom 30.06.) Und ja, ich 'kann' es bewerten - zum Beispiel, "es hätte besser laufen können", "ich hätte das und das anders machen können", "meine Eltern haben dort und dort versagt", usw usf. Nur, was bringts? Derartige Bewertungen ändern rein gar nichts.
Aus der Opferrolle aussteigen, den Gedanken, "die Krankheit hat mir dies und jenes genommen oder gar geraubt oder gar zunichte gemacht", zu verlassen, ermöglicht mir die Freiheit, im Hier und Jetzt zu leben. Die Vergangenheit kann man mit Interesse betrachten, sie auch analysieren, im Idealfall etwas daraus lernen. Aber die Vergangenheit kommt nicht in die Gegenwart (Konfuzius). Mein 'Ich- heute' ist nicht mein 'Ich-gestern'. Und umgekehrt. Also, es gilt: "Einfach Leben" - wie Frech es so gut auf den Punkt bringt. Sowohl "einfach", als auch "leben".
Von dieser Warte aus ergeben sich ganz neue, mögliche Gedankenexperimente, die, jedenfalls bei mir, ein Lächeln aufkommen lassen, eine ruhige wohltuende Freude. Zum Beispiel dies: Wie viele Jahre brauchen denn die Mönche in Zen-Klöstern, bis sie zu der Erkenntnis kommen, und zwar eben nicht bloß "im Kopf" sondern im Sinne empfundener Lebenspraxis, dass der Weg zu wahrer Freude und Zufriedenheit über den Verzicht führt, und nicht über irgendeine Form von 'Streben', 'Machen-Können', 'Leisten-Können', 'Wollen-Können', 'Robustsein', 'Selbstverwirklichung', 'Erleben-Können' etc etc. etc.- ?
Nun, ich schätze mal, so ins Blaue hinein, es werden etliche dabei sein die in etwa so lange brauchen wie ich selbst gebraucht habe, seit jener himmelstürzenden Erstdiagnose - ich, die ich halt (leider) nicht im Zen-Kloster war, sondern vielmehr, wie meine amerikanischen Freunde so nett sagen, statt dessen und 'for better or worse' in der "School of Hard Knocks" (grob übersetzt, der "Lebens-Schule der harten Nackenschläge") - -- !
Auweia - an dieser Stelle befürchte ich, ernsthaft, dass ich hier im Forum rasch wieder eins aufs Haupt kriegen werde.
Vermutlich weil's manchen in den Ohren danach klingt als ob ich "in gefährlicher Weise DIE KRANKHEIT verharmlose"...
Nunja. In dieses Schicksal - auch in dieses - werde ich mich fügen. Aus freien Stücken. Ich beame mich einfach wieder ins Zen-Kloster zurück und gebe mir dort 'lebenslänglich'. Dort kriegen die Mönche, die Schüler, bekanntlich von ihrem Meister auch regelmäßig mit dem Stöckchen eins aufs Haupt. Und zwar täglich, während der Meditation... Und dann gehts wieder ans Bodenschrubben, mit der Wurzelbürste in der Hand und auf den Knien...;-))
Gute Nacht zusammen,
Sputnik19