Liebe Omega,
du erlebst etwas, das viele Angehörige mit ihrem bipolaren Partner erleben.
Warum dein Partner ohne Medikamente lebt, ist nicht wirklich deutlich geworden, ob er sie generell ablehnt, oder vielleicht andere Gründe dagegensprechen, konnte ich jetzt nicht herauslesen.
Aber auch mit Medikamenten kann es zu solchen Phasen kommen, z.B. wenn eine Medikation nicht mehr greift....
Da ihr schon über ein Jahr zusammen seid/wart, ist dir dein Partner inzwischen sehr nahe, soetwas wie 'Co-Abhängigkeit' wird es wohl in solchen Beziehungen irgendwie immer geben - es wäre ja auch traurig, wenn die Gefühle des einen keine Auswirkungen auf die Gefühle des anderen hätten. Aber gerade in den Depressionen muß der Partner geschützt werden, dessen ist sich der Betroffene selber meist klar. Es fällt ihm auch leicht, denn er hat ja auch gar keine Kraft für Beziehungen.
Ich selbst hatte im letzten Jahr 11 Monate Depression, wovon ich wieder mal, ich glaube, es waren diesmal 8, Wochen lang den kompletten Rückzug aus der Beziehung genommen habe.
Dies habe ich auch in den unbehandelten Jahren quasi jedes Jahr getan, wenn Streß und Druck durch Arbeit und Beziehung z.B. im Winter alle Energie in der Depression aufgebraucht hatten.
Wenn ich als Betroffener in tiefe Depression gefallen bin, dann habe ich immer noch versucht, mit Arbeit gegenzusteuern, der Tagesablauf verhinderte immer wenigstens das allerschlimmste, und ich kam nach Hause und brach dort dann regelrecht zusammen, die Maske wurde abgelegt, und der Partner bekam alles ab.
Wenn es zu schlimm wurde, zog ich mich dann komplett zurück. Es war einfach keine Energie mehr da.
Die 'Maske' für die Arbeit, die eben das letzte bißchen Selbstwertgefühl und Motivation zum täglichen Aufstehen mobilisierte, hatte dann sämtliche Energie verbraucht. Echte Gefühle außerhalb von eigenem Leid waren in der stärkeren Depression eh nicht mehr zu erwarten, das Herz friert ein.
Meine Lebensgefährtin hat 13 Jahre lang diese Phasen mitbekommen und mitdurchlebt, eine Abgrenzung immer wieder versucht, zum Selbstschutz, ich dasselbe, in Depression - das kann sehr brutal sein.
Inzwischen hat sie sich eine Angehörigenselbsthilfegruppe gesucht, meine letzten 2 Phasen (Depression und Mischzustand - über 14 Monate nun) hatten den Leidensdruck sehr stark aufgebaut.
Vielleicht gibt es eine Angehörigen-SHG in deiner Stadt? Es gibt auch gemischte Selbsthilfegruppen mit Angehörigen und Betroffenen....in manchen Gegenden auch nur Selbsthilfegruppen für Angehörige von psychisch Kranken im Allgemeinen.
Sowas könnte dir vielleicht helfen, in dieser schweren Zeit nicht alleine klarzukommen zu müssen. Freunde können sowas im Allgemeinen nicht leisten, andere Angehörige kennen das Leid da viel besser, und der direkte Kontakt vor Ort ist oft auch noch hilfreicher, als der virtuelle im Netz.
Und noch etwas....wenn du ihm Zeichen sendest, nimmt er sie wahr. Aber vielleicht kann er einfach nicht mehr darauf antworten.
Ich kenne das so (und andere hier sicher auch), daß es schlimm ist, wenn Botschaften eintrudeln und man fühlt sich unter Druck, zu antworten, und man kann nicht.
Aber es ist - noch schlimmer -, wenn gar keine Botschaften mehr kommen, das Telefon stillbleibt, das Email-Postfach leer....
Ich hoffe, ich konnte dir mit meiner Sichtweise ein wenig weiterhelfen.
Ich drück dir beide Daumen, daß du gut durch diese Zeit kommst.
Liebe Grüße,
M.