Hallo,
ich möchte mal auf den 1. Teil der Überschrift eingehen und meine Erfahrungen und Gedanken dazu äußern.
Kritik vs. Verletzung - Feedback als eine Möglichkeit der Orientierung
Kritik stellt an sich schon eine heikle Angelegenheit da, wer mag schon gerne Kritik hören oder lesen. Wenn wir es aber eher als Feedback verstehen, könnte es wichtige Hinweise geben, wie wir ein Miteinander in Bereichen finden, wo wir eben nicht alleine aggieren, wie bei der Arbeit, zusammen wohnen oder das Schreiben in einem Forum, wo viele andere miteinander in Interaktion gehen.
Eine Rückmeldung, ob ich mit meinem Verhalten gerade andere störe, ihre Grenzen überschreite, ich gerade unverständlich rüber komme, ihnen zu nahe trete oder auch positive Rückmeldung, ob das was ich tue, anderen ggf. auch weiterhilft oder zumindest das Miteinander nicht stört, kann für mich eine Orientierung sein, wie ich persönlich mit meinem Sosein und meinem Verhalten ein Miteinander fördere oder aber eher störe.
Die Rückmeldung von einem Forumsschreiber an mich, dass ich ihn mit meinen Fragen überfordert habe und er sich dabei unwohl fühlte, war für mich eine Orientierung. Er hat mir seine Grenze aufgezeigt und ich habe es akzeptiert und respektiert.
Kritik vs. Verletzung - im Spannungsfeld der Art und Weise
Dann ist es für mich entscheidend, wie eine Kritik oder das Feedback vorgebracht wird. Bleibt es sachlich und kann ich erkenne, das es demjenigen nicht darum geht, meine Person anzugreifen, ist es für mich natürlich einfacher das Feedback anzunehmen.
Wird es hingegen sehr persönlich oder beleidigend, wird es sehr schwer für mich, aus dem Feedback etwas zu ziehen. Ich habe ebenso die Erfahrung gemacht, dass es für mich schwieriger ist, wenn ich lese, Heike du hast..., Heike du bist..., als wenn ich lese, Heike, ich fühlte mich..., Heike, das hat mich genervt...
Kritik vs. Verletzung - im Spannungsfeld des eigenen Zustandes
Bin ich selbst in einem eher ausgeglichenem Zustand, fällt es mir auch leichter kritisches Feedback entgegenzunehmen und für mich meine Schlüsse zu ziehen. Bin ich vorher schon in einem eher unsicheren Zustand, bzw. mein Selbstvertrauen schon angeknackst, dann fällt mir auch sachlich vorgetragenes kritisches Feedback schwer anzunehmen, da ich leider die Punkte dann auf meine ganze Person beziehe, auch wenn mein Gegenüber dies gar nicht bezweckt. Das führt dann ggf. zur gänzlichen Abwehr oder eher umgekehrt, dass ich mir den Schuh ohne kritisch selbst zu hinterfragen ganz und gar anziehe und denke, so schlimm bin ich also.
Es ist dann für mein Umfeld nicht einfach, kritisches Feedback zu geben ohne mich verletzen zu wollen.
Kritik vs. Verletzung - Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung
Wer möchte nicht eigentlich zu den "Guten" zählen und hat am liebsten ein positives Selbstbild von sich. Wenn mich gerade da jemand packt, wovon ich vorher ausgegangen bin, dass ich dort eigentlich meine Stärken habe, dann ist es auch nicht so einfach, diese Fremdwahrnehmung an mich ran zu lassen. Dann kann das richtig wehtun und da ist dann auch die Frage, will ich mir die Kritik mal ungeschminkt anschauen oder kann ich das gar nicht aushalten, dass mich jemand gerade in diesem Bezug packt?
Kritik vs. Verletzung - im Zustand einer anderen Wahrnehmungsebene (Realität)
Mein Therapeut meinte mal zu mir, wenn ich so in meiner depressiven Wahnehmung gänzlich verschwinde und in einer anderen Realität lebe, dann ist es für ihn so, als wenn er mit einer Wand redet, es kommt einfach nicht an.
Da senden und empfangen wir dann auf völlig unterschiedlichen Kanälen. Es wird auf beiden Seiten nicht verstanden. Selbst so offensichtlich zu Tage Tretenes, wird nicht gesehen, bzw. kann nicht wahrgenommen werden und das bringt natürlich das Umfeld in eine schwierige Situation.
Das erlebe ich auch bei Anderen, auch hier, wenn Menschen anscheinend in einer anderen Wahrnehmungsebene sind, als ich selbst. Es ist dann zum Haare raufen, egal wie man es formuliert, es kommt nicht an. Da ist für mich auch die Frage, ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt.
Wie kann man sich verständigen, wenn die Kommunikation offensichtlich auf verschiedenen Frequenzen statt findet oder anders ausgedrückt, wenn man das Gefühl hat, man spricht zwei verschiedene Sprachen, die jeweils der andere nicht verstehen kann.
Ich habe da noch keine Antwort für.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 24.02.20 14:48.