Hallo Heike,
du analysierst viel und schonst dich dabei durchaus nicht. Dein ehrliches Interesse an dem Thema spricht aus jedem deiner 3 Post´s. Ob ich dir da gerecht werden kann, weiß ich nicht, Ich probiere einfach eine Antwort.
Für mich zeigt sich ein Unterschied in unser beider Herangehen an die Kommunikation in, mit oder am Rande der Depression.
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Deine vorherige Frage, "Kannst du dir vorstellen, wie du deinem Umfeld dabei helfen könntest? ", verstand ich so, ob ich meinem Umfeld in dieser Situation signalisieren könnte, wie es in mir aussieht und was ich dann brauche. Das habe ich bisher noch nicht geschafft, es bleibt bisher leider entweder bei der generellen Abwehr (möglicherweise auch hier als Schutz zu verstehen?) oder eben umgekehrt, ziehe ich mir den Schuh so stark an, dass ich meine Person selbst dann abwerte und ziemlich geknickt daraus hervorgehe.
Ich nehme deinen Blick hier als defizitorientiert war, was mich in der Depression nicht wundern täte. Tauche ich auf aus der Depression, ändert sich meine Orientierung der Perspektive doch eher zur Ressource.
D.h. aus meiner Sicht wäre an dieser Stelle meine Frage an dich: Könntest du deinem Umfeld nur präventiv signalisieren, was du im Fall der Fälle bräuchtest? Siehst du bei dir Ressourcen in der kritischen Kommunikation, könntest du die anderen einbeziehen wenn du versuchst, oder übst mit Kritik umzugehen? Wäre dann ein Risiko, etwas zu öffnen vom Schutz
Welchen Schutz musst du in dieser generellen Abwehr dann leisten (gerade das Wort generell fällt mir auf)?
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Wo oder wie kann man eine gemeinsame "Realität" schaffen, die, wie du schriebst, Sicherheit und ggf. auch Orientierung schafft. Irgendwo las ich von einer Psychose-Erfahrenen, dass ihr das z.B. beim gemeinsamen Kartoffelschälen gelang, also bei einer Alltäglichkeit, wo sie sich dann in einer gemeinsam empfundenen Realität wieder fand, für diese kurze Zeitspanne.
Gemeinsam etwas praktisches zu tun ist oft von Vorteil bei schwierigen Gesprächen oder überhaupt in Kontakt zu kommen, das kennen wir wohl beide..
Hier sprichst du verschiedene Realitäten noch einmal an:
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"Sprich, obwohl ich aus eigener Erfahrung weiß, wie es sich anfühlt, wenn einem die Wahrnehmung oder gar seine ganze Realität abgesprochen wird und auch weiß, wie sich andere dabei fühlen, denen das passiert ist, ist es trotz dieses Wissen nicht einfach, in einer Situation mit einem Menschen, der sich zumindest wahrscheinlich in einer anderen Realität, als die meine befindet, damit einen konstruktiven Umgang zu finden. Manchmal bin ich einfach hilflos und manchmal reagiere ich sicherlich auch kontraproduktiv dabei.
Ich sehe das Zugestehen einem jeden Einzelnen seiner Realität eher als ein Konstrukt an, eine theoretische Denkweise, die erleichtern kann, ein Anders-sein anzunehmen zu akzeptieren bei sich selbst oder bei anderen. Doch brauchen wir in der gleichen Realität, in der gleichen Welt, in der wir leben, Sicherheit, Vertrauen, Verantwortung für uns selbst, für und von anderen, gemeinsame Prämissen, auf die Verlass ist bei gleichzeitig ebenso vorhandenen individuellen Perspektiven. Für mich stellen diese verschiedenen Realitäten und gemeinsame akzeptierte Realitäten ein Kontinuum dar, eine immer wieder neu anzustrebende Balance.
Hilflos stehe ich auch so manches Mal Menschen gegenüber, die im Moment nicht erreichbar sind. Das eine ist der theoretische Konstrukt in meinen Augen, das andere die ohnmächtig scheinende Situation wenn vermeintlich unvereinbare Realitäten aufeinander treffen.
Nehmen wir mal die Behindertenrechtskonvention: Sie ist ratifiziert in Deutschland, von der tatsächlichen Umsetzung im Alltag, der Alltagsrealität, trennt uns psychisch beeinträchtigte Menschen noch so einiges. Es braucht eine größere Akzeptanz in der Bevölkerung. Auf der anderen Seite ist in den letzten 50 Jahren doch eine Menge passiert am sichtbar-werden von Menschen mit Psychischen Störungen (wer da auch immer wen und durch was stört), an Information darüber in der Öffentlichkeit,an Schulen, Angehörigenarbeit, raus aus den Heimen hinein in WG´s etc. Gesamt gesehen haben sich dann doch schon so einige Realitäten geändert, nicht nur aber ein bisschen auch wegen der BRK.
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Ja, die Zeit der Entwicklung im Kindesalter ist sehr störanfällig und sehr viele Menschen, die heute psychiatrisch behandelt werden, haben oft traumatische Erlebnisse hinter sich. Da kann es für das Kind ein wichtiger Schutz für die eigene Identität gewesen sein, sich aus der \"Realität\", die manchmal so extrem war, zu verabschieden und in eine andere hineinzu gehen. Wenn man dies so betrachtet, wieder meine subjektive theoretische Erklärung, ist die Flucht in eine andere Realität durchaus auch eine Möglichkeit des Gehirns, sich zu schützen um den Kern seiner selbst bewahren zu können. Nur im Erwachsenen-Alter, wird es problematisch.
Ja, es stellt einen Schutz dar für die Kinder, eine Möglichkeit damit umzugehen. Nachvollziehbar, das hat die Natur für´s erste gut eingerichtet. Wenn die Bedingungen aber so bleiben, dann wird dieser plausible Schutz zur chronischen Erkrankung, sie sind hinein gegangen, finden aber nicht mehr hinaus, sind auf irgend einer Mentalisierungsstufe stehen geblieben oder greifen darauf zurück wenn es brenzlig wird oder zu werden scheint, denn sie haben keinen anderen Umgang damit gelernt, der trägt, oder ausprobieren können, der ihnen schon einmal Sicherheit brachte.
Das ist immer ein Problem, nicht nur im Erwachsenenalter.
Ich werde nicht müde zu betonen, Mentalisierung ist erlernbar in jedem Alter.
Ein paar wenige Reaktionen von mir auf deine umfassenden Pos´s. ;)
LG
s.