Hallo sfg,
ich finde es gut, wie du deine Phasen kreativ umsetzt. Hier sind so einige mit kreativer Ader vertreten, Schriftsteller, Musiker, Künstler aller Couleur, und solche, die es werden wollen.
Darf ich fragen, was du studierst?
Ich weiß nicht, wie ich damit umgegangen wäre, wenn ich mit 20, als bei mir die Krankheit ausbrach, gleich diagnostiziert worden wäre...
Damals wollte ich von der Rockmusik leben, studierte Physik, und war, ehem, sagen wir mal vorsichtig, 'ziemlich unangepaßt'. :-)
Also entweder Rock-Olymp oder Nobelpreis (oder beides...) - darunter wollte ich mich nicht zufriedengeben.
Wahrscheinlich hätte ich auch drauf geschissen, was andere denken und wäre offen damit umgegangen.
Tatsächlich habe ich mich machmal sogar als manisch-depressiv bezeichnet, als hommage an Jimi's 'manic depressive', ohne zu wissen, daß ich das wirklich auch im klinischen Sinne bin!
Heute sieht das anders aus.
Ich bin wie 99% aller Künster und Musiker völlig woanders gelandet, zumindest, was das Berufliche angeht, habe 2 Studiengänge abgebrochen und eine IHK-Ausbildung dann doch noch vor dem 30. Lebesjahr abgeschlossen und in unterschiedlichen Berufen eine gewisse expertise erlangt.
Zwei Langzeitbeziehungen sind im Endeffekt auch an der Krankheit mitgescheitert.
Mit 39 war ich der Auf-und-Ab's so müde, daß ich dem Hinweis aus der Familie, ich könnte eine bipolare Störung haben, nur allzu willig beim Psychiater nachgegangen bin.
Die Depressionen wurden damals immer länger, die Hochphasen flacher und kürzer.
Heute nehme ich Citalopram (AD) als Dauermedi, Trazodon als Schlafantoßer und neuerdings auch Atosil als Notfallmedikament, immer die Flasche in Griffweite....
Und tatsächlich - nach 4 Jahren mit Medis, einem Rückfall trotz Medis, finanziellem Ruin, bin ich glücklich mit der 'Normalität' - oder sagen wir mal, mit dem was ich dafür halte, also relativer Phasenfreiheit mit den Möglichkeiten verhaltenstechnisch und medikamentös aufkommenden Phasen entgegenzutreten.
Und ja, es überkommt mich nun auch wieder trotz Medis Schaffensdrang, ich kann noch Gedichte, Prosa und Songtexte schreiben und habe wieder musikalische Ideen.
Ich dachte nun eine ganze Weile, daß dies nicht mehr möglich sei.
Ist es aber.
Ich habe Rogo vor einer Weile geschrieben, daß es vielleicht zu vergleichen ist mit einem Musiker, der trockener Alkoholiker ist.
Er denkt vielleicht, daß er ohne Alkohol nicht kreativ sein kann, ist unglücklich über mangelnde Ideen, überzeugt davon, daß seine Schaffenskraft ausschließlich seinem Rausch entspringt.
Anstatt darauf zu vertrauen, daß die Kreativität nur dadurch enthemmt wurde, aber tatsächlich auch weiterhin vorhanden ist. Daß es nur neuer Wege bedarf, sie freizusetzen.
Es ist schwer, sich vom Rauschhaften der Manie zu verabschieden.
Zumindest bis man mal bewußt in Todesgefahr war, oder sonstwie genug verloren hat. Und selbst dann noch...
Aber - Manie ist nicht wirklich eine Gabe, jeder Nicht-Betroffene könnte diesen Zustand mit einer Prise Koks herbeiführen - mit dem Unterschied, daß die dann nach 1,5 Std. vorbei ist.....und nicht Tage, Wochen oder Monate anhält, ohne Kontrolle....
In diesem Sinne wünsche ich dir, daß du über dein Vorhaben noch einmal nachdenkst...
Wer weiß, wo du in der nächsten Phase ohne Medis landest. Das kann die Klinik sein, eine Ausnüchterungszelle, mit einem Auto am Baum...und Schlimmeres.
Das ist das hohe Risiko, das du eingehst. Sei dir vorher dessen bewußt. Du begibst dich bei so einem Vorhaben eben auch ganz klar in Lebensgefahr. Egal was dir andere sagen, oder wer immer dich in deinem Vorhaben bestärkt.
Überleg dir, ob's das wert ist.
Ist auch keine Altersfrage.
Es gibt hier auch viele Ü50-Fälle, die Absetzgedanken haben, immer wieder mal.
Einige hier gehen dazu über, in diesen Fällen zu sagen - mach's doch, dann weißt du es und bist dir sicher, warum du den Rest deines Lebens wieder behandelt werden willst. Oder es geht eben gut, und du kommst auch so klar.
Ich seh das nicht so.
Es braucht keine Rückfälle um sich für ein gesünderes oder normaleres Leben zu entscheiden.
Jeder Rückfall schädigt und verschlechtert die Zukunftsprognose.
So, wollt' ich mal gesagt haben.
Liebe Grüße, alles Gute und natürlich herzlich Willkommen hier im Forum,
M.