Re: bipolar-gedichte auf bühnen

sfg
29. 05. 2011 11:58
sodelle, erst mal vielen dank
für so viel positives feedback und gedankenanstöße!
nun aber step by step :)

@ jommeraner
gute frage: wie gehe ich mit der "krankheit" um und was verstehe ich unter "input-phasen"?
ich versuche jede phase so zu nehmen wie sie kommt,
(was bleibt einem auch anderes übrig?), nehme jetzt seit fast
3 jahren ergenyl chrono, wird aber evtl. demnächst mit dem
arzt gemeinsam (!) ausgeschlichen - we will see, werd noch
mal rücksprache halten.

ich gehe sehr offen damit um, die tabletten liegen bei mir daheim offen herum,
ich hab kein problem sie auch vor anderen leutein einzunehmen und wenn sie
fragen was das ist, dann sag ich die wahrheit - sprich: um auf - sonrisas - comment
einzugehen - ich scheiss darauf was die leute dann über mich denken könnten
und gehe einfach offen damit um, weil ich es eben nicht nur als krankheit ansehe
(generell ein schwieriger begriff, ich fühle mich sehr häufig seelisch viel gesünder
als "normale" menschen, aber das ist ein weites feld...), sondern auch als chance,
als aufgabe, als gabe, etc. ohne diese emotionalen hochs und tiefs, wäre es mir
niemals möglich solche texte zu schreiben, sprich: ich ziehe meine kreativität -
wie viele andere auch - aus meinen phasen. nicht nur aus den manischen, auch
aus den depressiven!. rilke hat einmal in einem seiner bekannten briefe geschrieben:

"(...) Und darum ist es so wichtig, einsam und aufmerksam zu sein, wenn man traurig ist!
weil der scheinbar ereignislose und starre augenblick, da unsere zukunft uns betritt, dem leben
so viel äher steht als jener andere laute und zufällige Zeitpunkt, da sie uns, wie von außen her,
geschieht. Je stiller, geduldiger und offener wir als Traurige sind, um so tiefer und um so unbeirrter geht das
Neue in uns ein; um so besser erwerben wir es, um so mehr wird es unser schicksal sein, und wir werden aus ihm, wenn es eines späteren tages 'geschieht' (d.h. aus uns heraus zu den anderen tritt), im innersten verwandt und nahe fühlen." (briefauszug von rainer maria rilke)

rilke beschreibt hier sprachlich perfekt, was - auch meiner meinung nach - in der depression passiert. etwas neues, dass wir noch nicht greifen und benennen können, tritt in uns ein und erst rückblickend wird es möglich, diese zeit positiv zu deuten und zu e r k e n n e n, wie wichtig und unabdingbar diese phase eigentlich für uns was.

diesbezüglich noch zwei zitate, die ich sehr mag:
"Krankheiten, vor allem langwierige, sind Lehrjahre des Herzens und der Gemütsbildung" - Novalis
"Im Schmerz von gestern, liegt die Kraft von heute"

Darum bezeichne ich auch depressive Phasen als "Input-Phasen", Zeiten in denen etwas Zukünftiges in uns eintritt, das uns innerlich umwühlt, uns verändert, und weiterbringt. auch wenn dies zunächst bedeutet, die dunkelheit und die leere zu durchqueren, doch schon hesse sagte dsbzgl.: "wahrlich keiner ist weise, der nicht das dunkel kennt ...".

auf meinem blog, hab ich dazu mal folgendes gepostet:

Passend hierzu folgende Zeilen von Hans-Joachim Eckstein:

Schwerwiegende Entscheidungen
fallen selten in leichten Zeiten,
und tiefgehende Veränderungen
entstehen nicht durch
oberflächliche Erfahrungen.

Verständnis für die Schwachheit anderer
erwächst nicht aus der eigenen Stärke,
und wie man andere Menschen tröstet,
wissen wir erst, wenn wir nicht nur getrost,
sondern auch selbst getröstet sind.

Warum also sehnen wir uns
nach einem leichten und unbeschwerten Leben,
wenn das, was uns so wertvoll macht,
in einem verletzlichen und tiefgründigen,
in einem lebendig gelebten Leben liegt.

Eigene Anmerkung: Auch leichte & unbeschwerte Augenblicke machen ein tiefgründiges, ein lebendig gelebtes Leben aus! Wenn ich z.B. auf einer Blumenwiese liege, Sonnenstrahlen meine Nase kitzeln, Schmetterlinge durch die Lüfte tänzeln und ein sachter Windhauch mir meine müden Augenlider öffnet; dann kann ich vollkommen in dem Moment aufblühen und mich der Schöpfung hingeben. Das sind Erfahrungen, die ein tiefgründiges Leben ausmachen, genauso wie Zeiten, in denen Angst, Verzweiflung und ein Gefühl des Verlassenseins überwiegen. Licht & Dunkelheit bleiben unzertrennlich miteinander verzahnt und verwoben. Doch auf jede noch so düstere Nacht folgt immer wieder aufs Neue, ein hell anbrechender Morgen!!!

"Ich biete der auf mich einstürzenden Dunkelheit die Stirn, und trete, erhobenen Hauptes, durch das Tor der Ungewissheit hinaus ins Licht des anbrechenden Tages!" (c) Simon F. Geiger, 2011


@ heike
ich habe natürlich nicht nur texte, die dieses thema direkt ansprechen, sondern auch viele andere über alle möglichen arten von themen... und ja du hast recht, ein großteil der menschen, versteht die anspielung am schluss nicht in dem "zwitschern" text, wenn ich sage:

natürlich wär ich gern dichter und gerne auch poet
von ruhm wie ehre wild umweht
doch stattdessen bin ich erkrankt an verbaler diarrhö
und mentaler inkontinenz, das produkt einer B I P O L A R E N ...
Reimergusspotenz...

und selbst bei dem text in dem ich direkt über die psychiatrie spreche,
verstehen das nicht alle zuschauer, aber das ist auch nicht so schlimm,
vielleicht muss ich das thema eben anders aufbereiten, zunächst
humoristisch, um danach mit dem publikum langsam in die tiefen
vorzudringen... das problem ist häufig, dass die zuschauer nur
oberflächlich berieselt werden wollen - aber das ist nicht mein ding,
ich respektiere es zu einem gewissen grad - sofern der humor
nicht auf kosten anderer geht - aber mein ding ist es def. nicht!


@ Sonrisa
ich denke, dass es hilfreich sein kann, um eigene erlebnisse zu
verarbeiten. ich versuche auf das thema aufmerksam zu machen,
da es mir auch einen sinn gibt, mich dafür einzusetzen, dass
menschen - die psychisch erkrankt sind - nicht öffentlich diskriminiert
werden. deswegen schreib ich solche bühnenliteratur. nicht
um das publikum oberflächlich zu unterhalten, sondern um auch
solche tabuisierte themen azusprechen! schließlich betrifft es sehr
sehr viele menschen - nicht nur bipol. störungen - die psychiatrie
im allgemeinen... so traut sich ein freund von mir bspw. nicht zum
psychiater zu gehen, weil seine eltern dann mitbekommen würden
(über die krankenkasse), dass er - wie er selbst sagt - "verrückt"
geworden sei... als er mich besucht hat, hab ich abends einen sehr
persöblichen text vor 200 leuten vortragen - und das ist jedes mal
eine ziemliche überwindung - auch um ihm zu zeigen: hey, es ist
nichts schlimmes, das leiden betrifft jeden, es ist nichts wofür
man sich schämen muss!

aber es ist auch nicht so, dass ich nur gedichte über meine "krankheit"
schreibe, sondern ich habe - wie bereits erwähnt - auch viele andere
themen... ich kreise jetzt nicht die ganze zeit um diese bip. störung,
aber ich schöpfe meine kreativität aus dieser!

ich hoffe ich habe alle fragen ausreichend beantwortet, ansonsten
einfach nachfragen :)

liebe grüsse, simon felix



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 29.05.11 11:59.
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bipolar-gedichte auf bühnen

sfg 1230 28. 05. 2011 10:56

Re: bipolar-gedichte auf bühnen

psycho9 484 28. 05. 2011 11:04

Re: bipolar-gedichte auf bühnen

Heike 555 28. 05. 2011 14:01

Re: bipolar-gedichte auf bühnen

jommeraner 384 28. 05. 2011 14:34

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Heike 472 28. 05. 2011 14:50

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FLYHIGH 492 28. 05. 2011 18:35

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Sonrisa87 415 28. 05. 2011 22:24

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orso 429 28. 05. 2011 22:35

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sfg 554 29. 05. 2011 11:58

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FLYHIGH 419 29. 05. 2011 12:25

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sfg 382 29. 05. 2011 12:36

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FLYHIGH 420 30. 05. 2011 22:54

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sfg 479 31. 05. 2011 16:40

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Yeshi 617 03. 06. 2011 09:00

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sfg 416 04. 06. 2011 17:06

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Paulina 404 29. 05. 2011 12:39

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sfg 590 29. 05. 2011 12:44

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sfg 602 29. 05. 2011 14:39

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Heike 446 29. 05. 2011 14:42

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sfg 429 29. 05. 2011 17:05

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Sumosimi 494 30. 05. 2011 11:29

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sfg 596 30. 05. 2011 14:01

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Heike 458 30. 05. 2011 15:21

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kirrumsl 1074 30. 05. 2011 15:30

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sfg 360 30. 05. 2011 19:08

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dry 395 30. 05. 2011 14:59

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Sumosimi 383 30. 05. 2011 20:56

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zyklothym 517 06. 06. 2011 08:52

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JaquB 499 06. 06. 2011 09:53

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sfg 469 06. 06. 2011 13:27

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Lemo 764 08. 06. 2011 10:27

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sfg 436 08. 06. 2011 22:31

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sfg 357 08. 06. 2011 23:31

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zyklothym 583 08. 06. 2011 23:58

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sfg 499 09. 06. 2011 01:04

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zyklothym 363 09. 06. 2011 02:32

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Anonymer Teilnehmer 349 09. 06. 2011 02:36

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Anonymer Teilnehmer 337 09. 06. 2011 02:39

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Anonymer Teilnehmer 337 09. 06. 2011 02:41

Re: bipolar-gedichte auf bühnen@Ali@Zyklo

Yeshi 403 09. 06. 2011 07:54

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sfg 365 09. 06. 2011 08:22

Re: bipolar-gedichte auf bühnen@Ali@Zyklo

zyklothym 355 09. 06. 2011 08:57

Re: bipolar-gedichte auf bühnen@Ali@Zyklo

sfg 418 09. 06. 2011 14:45

Entscheidungen

Heike 464 09. 06. 2011 15:41

Re: Entscheidungen

sfg 349 09. 06. 2011 19:25

nochn gedicht

Anonymer Teilnehmer 517 08. 06. 2011 23:59

mir geht es gut

sfg 378 30. 06. 2011 00:20

Re: mir geht es gut

Heike 396 30. 06. 2011 01:13

Re: mir geht es gut

Paulina 357 30. 06. 2011 07:43

Re: mir geht es gut

sfg 342 30. 06. 2011 11:54



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