Re: Depressionen und Psychotherapie

07. 01. 2020 23:44
Hallo CptBlack,

damals hatte ich auch gehofft, das Medikamente, ich nahm auch Bupropion (300 mg) und Psychotherapie die Depri irgendwie beseitigen könnte. Wenn es mir dann besser gehen würde, könnte ich ja auch dem Bett fern bleiben, könnte ich raus gehen etc. pp.

Bei mir war auch die Vorstellung, so wie bei einer körperlichen Krankheit, dass Medizin und ärztliche Hilfe die Sache schon richten würde. Es brauchte sehr lange, bis ich mir selber auf die Spur kam. Wenn ich zu lange der Bettflucht fröhnte, bemerkte ich, dass sich mein Zustand nicht besserte, dafür aber zementierte. Ich wartete und wartete darauf, dass doch endlich der ersehnte Moment kam, wo mir alles leichter fallen würde und ich wie von selbst dem Bett fern bleiben könnte, aber dieser Moment stellte sich nicht ein.

Wenn ich mich dann mal aus dem Bett bewegte, weil vielleicht ein Arzttermin anstand oder der Kühlschrank leer war, ich mich stundenlang gequält hatte, um mich zu waschen und anzuziehen und dann rauszugehen, dann war ich danach froh, wenn ich wieder zu hause war und mich wieder ins Bett legen konnte. Ich habe den ganzen Aufwand nur als Qual wahrgenommen, aber nicht in Betracht gezogen, was ich da gerade für Schwerstarbeit geleistet hatte.

Erst als mir jemand deutlich machte, dass Zähneputzen, waschen, anziehen, sich ein Brot schmieren und vor die Haustür gehen, für gesunde Menschen nicht der Rede wert wäre, aber für jemanden der schwer krank ist, sehr wohl eine Wertschätzung all dessen wichtig ist.

Ich lernte all die kleinen Dinge nicht einfach zu machen, sondern sie auch bewusst zu achten und es als einen minimini Sieg anzusehen, auch wenn dieser nicht lang anhielt, auch wenn ich am nächsten Tag dies alles wieder nicht schaffte. Aber in dem Moment, wo ich etwas schaffte, da lernte ich diesen Augenblick zu schätzen.

Dann spürte ich, wie sich eine ganz, ganz, ganz kleine Änderung in mir vollzog. Es fühlte sich ganz leicht anders an, wenn ich es schaffte, aus meinen Schlabberlook herauszukommen und ggf. mich vorher noch frisch gemacht hatte, als wenn ich im Bett liegen geblieben wäre. Nein, die Depri ist nicht weg, ja und es ist immer noch alles grau und schwer und doch fühlte es sich minimal anders an.

Diese kleine minimale Gefühls-Änderung verschaffte es mir, Mut zu haben, das Bett öfters zu verlassen, mich immer mal wieder in die Klamotten zu "zwingen", vielleicht sogar mal unter die Dusche zu gehen und ab und zu frische Luft zu tanken. Und egal was ich gerade schaffte, ich versuchte es mir bewusst zu machen, aufzuschreiben oder anders diesem Umstand gebührend zu schätzen.

Heute weiß ich, dass es mir nicht gut tut, wenn ich länger als 3 Tage ein Bett-Couchtag einlege. Spätestens nach 3 Tagen, versuche ich mich da raus zu zwingen und neben Duschen, frische Klamotten dann auch raus zu gehen. Diese Unterbrechung, tut mir schon "gut", wobei dieses "gut" sich eben nicht wie "gut" anfühlt, sondern Energie und Kraft gekostet hat, aber dennoch in mir eine kleine Änderung bewirkt.

Zumindest kann ich für mich in meinem Fall sagen, dass ich aufpassen muss, mich nicht der Depri komplett hinzugeben, vor allem gerade in den Zeiten, wo ich eben nicht "schwer depressiv" bin, sondern mittelgradig oder eher leicht.

Somit habe ich doch ein klein wenig Einfluss auf meine Depression, wie sie verläuft und ob sie tiefer wird oder ob ich sie eher auf kleiner Flamme halten kann.

Ich weiß nicht, ob dir dies hilft, aber das ist meine Erfahrung mit Depressionen, die ich auch schon mal über Jahre hinweg hatte.

Viele Grüße Heike

------------------ Signatur --------------------------

Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.

"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 07.01.20 23:45.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Depressionen und Psychotherapie

CptBlack 2169 07. 01. 2020 15:16

Re: Depressionen und Psychotherapie

Heike 870 07. 01. 2020 23:44

Re: Depressionen und Psychotherapie

CptBlack 817 08. 01. 2020 15:03

Re: Depressionen und Psychotherapie

dino 646 08. 01. 2020 08:17

Re: Depressionen und Psychotherapie

Hotte 595 08. 01. 2020 18:10

Re: Depressionen und Psychotherapie

Hotte 678 08. 01. 2020 22:24

Re: Depressionen und Psychotherapie

Skandal 545 29. 01. 2020 13:52

Re: Depressionen und Psychotherapie

CptBlack 516 29. 01. 2020 18:14

Re: Depressionen und Psychotherapie

Heike 453 29. 01. 2020 19:15

Re: Depressionen und Psychotherapie

Skandal 513 29. 01. 2020 19:43

Re: Depressionen und Psychotherapie

CptBlack 491 30. 01. 2020 06:36

Re: Depressionen und Psychotherapie

turtle 508 29. 01. 2020 18:36

Re: Depressionen und Psychotherapie

Ceily 422 30. 01. 2020 08:21

Re: Depressionen und Psychotherapie

CptBlack 474 30. 01. 2020 14:09

Re: Depressionen und Psychotherapie

MadameX 530 31. 01. 2020 11:47

Re: Depressionen und Psychotherapie

A20213 596 08. 02. 2020 12:50

Re: Depressionen und Psychotherapie

CptBlack 602 08. 02. 2020 16:51

Re: Depressionen und Psychotherapie

A20213 466 08. 02. 2020 18:36

Re: Depressionen und Psychotherapie

Cosmo81 473 10. 02. 2020 16:34

Re: Depressionen und Psychotherapie

Bonnaparte 856 10. 02. 2020 20:09



In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicken Sie hier, um sich einzuloggen