Hi dc,
geniale Umschiffung bei der Bennung der Begleitumstände, seitdem Du die Medikamente ausgeschlichen hast. Ich habe aber aufgrund der Wahrung der Anonymität keine exaktere Darstellung Deines Alltags erwartet. Letztendlich ist es okay, wenn Du Dein Leben so kontrollierst. Ich stellte sehr bewusst die Frage der Begleitumstände, da ich mich mitten im Berufsalltag befinde. Es wäre schon einmal interessant gewesen, wie viel Belastung Du aushältst. Meine kleine provokante Hypothese ist, dass Du weniger als ich aushältst...
Irgendwo weiter unten im Baum habe ich vernommen, dass Du schon zwischen den Phasen und dem Zeitraum zwischen den Phasen unterscheidest. Das machen einige Betroffene. Ich denke, das es ein fataler Trugschluss ist, zwischen diesen Zeiträumen bzgl. der Krankheit zu unterscheiden. Es mag Krankheiten geben, die sind nur dann da und so zu bezeichnen, wenn die Symptome vorhanden sind. Dies lässt sich aber für eine bipolare Störung so nicht definieren. Nimmt man die bisherigen Forschungsansätze, so ist die Krankheit mit Ausbruch permanent gegeben, auch wenn keine Symptome vordergründig auftreten. Ist man in der Zwischenzeit wirklich symptomfrei? Ich würde anhand meiner Erfahrung klar Nein sagen. Ich spüre immer wieder im Alltag Symptome, ohne dass es gleich zum Ausbruch einer manischen oder depressiven Phase kommt. Außerdem entstehen die Phasen nicht adhoc, auch wenn die zunehmende Ausprägung im Verlauf rasant zunimmt. Zum einen kann man hier von einem irreversiblen Stoffwechselprozeß im Kopf ausgehen, was nach heutigem Standard für eine chronische Erkrankung spricht. Zum anderen lässt sich auch anhand von Beobachtungen kein scharfer Schnitt zwischen dem phasenfreien Alltag und den Phasen ziehen. Letztendlich ist die Prophylaxe, egal wie sie jetzt aussieht (Medikamente, Disziplin...), ein wichtiger Bestandteil, damit die schweren Phasen nicht ausbrechen.
Ich persönlich brauche neben einer gewissen Disziplin auch die Medikamente, um mein ansonsten selbstbestimmtes Leben leben zu können. Ich habe seit 17 Jahren keine schwere Manie mehr gehabt, aber trotzdem merke ich die bipolare Störung im Alltag, vor allem wenn Triggerpunkte auftauchen.
Ich kann mir vorstellen, dass die Ausprägung dieser Krankheit nicht immer gleich ist. Mal bildlich gesprochen, muss der Stoffstrom im Gehirn nicht immer gleich intensiv gestört sein, wenn man es über die Betroffenen hinweg vergleichen würde (Hypothese). Zusätzlich ist die Ausprägung dann auch von der jeweiligen körperliche Konstitution, wie reagiert der Rest des Körpers auf die Veränderng, abhängig. Mag sein, dass bei Dir die Variante ohne Medikation im Kontext Deines Alltags super funktioniert. Das wäre natürlich super, aber leider aufgrund der vielen Variablen von der Reaktion des Körpers auf eine solche Störung bis hin zum Alltag des Betroffenen und der Kraft, sich dagegenzustemmen, lassen sich Erfahrungen zwar austauschen, aber eine fast direkte Übernahme der Erfahrungen sind eher schwierig bis unmöglich. Hinzukommt das Experimente zum Beispiel mit der Einstellung der Medikation schwer steuerbar sind und auch ein zurück, wenn es nicht funktioniert, mit Risiken verbunden ist. Hier ist auch zu beachten, was dies für den Alltag bedeutet.
Ich kann nicht verlangen, dass Du Dich hier offenlegst, aber bei dieser Variante der Null-Medikamente, die doch selten ist, wäre die Offenlegung die Voraussetzung, um überhaupt Deine Zeilen in eine entsprechende Überlegung einzubeziehen.
Viele Grüße nebulos