Re: An dc

08. 11. 2019 17:47
Hallo dc,

> merci für diese nette Zeilen .. du siehst bzgl
> Weiterentwicklung zb diese Änderung an mir ..
> früher hab schon auch lieber mit Leute diskutiert
> welche sich nicht unwiderruflich abgefunden, ihre
> Historie derart schwarz bewertet hätten das nur
> noch bemitleiden übrig blieb bzw ganz ganz
> vorsichtige Anmerkungen zuließen ohne einem
> gleich sonst was zu unterstellen.
>
> Diese heutige lang lang vermisste viel offenere
> Gesprächs, Diskutier wie auch immer Kultur find
> ich weeeeesentlich konstruktiver. Weil auch
> gewissen Dogmen heute viel kritischer gesehen
> werden, geht es doch um mehr als Tabletten zu
> schlucken, sondern das warum, was früher nur für
> schmunzeln, Streit etc gesorgt hatte.

Sicher, eine offene, respektvolle Diskutier- und Streitkultur ist viel wert, vor allem, wenn es nicht darum geht, einfach nur Recht behalten zu wollen, sondern auch selbst offen ist für neue Aspekte, offen ist für eine andere Sichtweise, auch wenn man sie vielleicht nicht in Gänze teilt und da ein gegenseitiges Verstehen wollen zu spüren ist.

Doch denke ich, gerade in diesem besonderen Kontext mit dieser Thematik, ist es häufig sinnvoll bei sich zu bleiben, die Dinge als seine eigenen Erfahrungen zu kennzeichnen und zu wissen, dass es auch noch andere Erfahrungen gibt.

Auch haben sich gerade in der professionellen Arbeit, so wie ich das als dort Tätige mitbekommen, schon einiges an früheren Lehrmeinungen geändert und wird durchaus immer mehr auch auf die Erfahrungswerte der Betroffenen zurückgegriffen.

Allerdings auch bei den Erfahrenen ist die Gefahr groß, selbst in Dogmen abzugleiten und das was sie selbst erlebt oder erfahren haben, als für alle gültig anzunehmen.


> Nochmals, ein klarer Kopf geht doch echt
> tatsächlichohne, provaktiv hin oder her, und das
> ging bei jedem/jeder Mal ganz gut denke. Akut,
> klar kann man, sollte man sich in Abwesenheit
> anderer Mittel bzw Bequemlichkeit zu helfen wissen
> als sinnlos zu leiden, schon .. aber dieses
> merkwürdige Konzept als das allein richtige
> hinzustellen vernachlässigt sooo viel (schon
> beschrieben, grob)

Ich hatte auch mit Medikation nicht das Gefühl, keinen klaren Kopf zu haben. Etwas anderes ist es natürlich, wenn man regelrecht mit Medikamenten "abgeschossen" wird, dass stellt für mich eine andere Situation da. Aber ich glaube, dass viele Menschen, die Medikamente nehmen, durchaus versuchen sie so zu optimieren, dass sie durchaus einen klaren Kopf haben und in der Lage sind zu reflektieren.

Diejenigen, die ich im Bekanntenkreis oder auch hier im Forum näher kennen gelernt habe, haben sich alle mit der Erkrankung sehr auseinander gesetzt. Ich denke, die meisten machen die Erfahrung, dass blind nur Medis nehmen und sonst sich nicht weiter mit den Aspekten der Phasen auseinander zu setzen, kaum dazu beiträgt stabil zu bleiben. Die Mehrheit, wird sich mit Auslösern, Frühwarnsymptome, Ressourcenfindung, ggf. Änderung seiner Einstellungen und Lebensweise beschäftigt haben.

Anzunehmen, dass dies nur Menschen tun und können, die keine Medis nehmen, empfinde ich als Vorurteil und auch diskriminierend. Und es ist für mich die Frage, ob so ein Denken nicht selbst dazu führ, ein eigenes Dogma aufzubauen, dass nur ein Leben ohne Medikmente, das wahre Leben und das wahre Auseinandersetzen wäre.

Wenn also Dogmafrei, dann doch bitte auf allen Ebenen oder?


> Und dann gibt's eben mich, einer der wie alle hier
> eine Diagnose einst erhielt. Und wie man auch hier
> weiss, begann dadurch ein sagen wir Ich-Findungs
> Prozess .. eine Odyssee ohne zu wissen wo man
> rauskommt, aber diese Aufgabe an sich enorm! zu
> arbeiten ergab sich logisch daraus. D.h das all
> die Betroffene, die wie ich es nenne Komfortzone
> verharren, werden dabei zu Grunde gehen,
> spätestens organisch

Es freut mich für Dich, dass du deinen Weg gefunden hast. Ja, so ein Selbstfindungsprozess, der übrigens auch viele Menschen mit Medikamenten durchlaufen, ist schon eine Leistung. Sie ist meist kein gradliniger Prozess, sondern mit Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Aber um so schöner, wenn man für sich einiges daraus lernen kann und dies ggf. auch anwenden kann und gestärkt daraus hervorgeht.

Die Kunst dabei ist aber, zu erkennen, das dies sein ganz eigener individueller Weg ist und so nicht auf alle übertragbar ist. Man kann Aspekte nennen, die einem geholfen haben, aber das dann eher wie ein bunter Blumenstrauß sehen, wo jeder seine eigene Blume hinzufügt. Ich glaube, jeder wird selbst irgend wie sehen, was bei einem geht und was nicht.

Nochmals, wenn Menschen Medikamente nehmen, heißt es noch lange nicht, dass sie nicht ihre Kompfortzone verlassen. Viele haben es bereits getan und haben für sich ein Leben mit viel Lebensqualität aufgebaut, in der sie ihre eigenen Herausforderungen meistern.

Und einige sind ohne Medikamente schon vorzeitig zu Grunde gegangen, weil sie sich entweder durch riskantes Verhalten in einer manischen/psychotischen Phase in Gefahr gebracht und dadurch umgekommen sind oder aber in der Depression oder Mischphase sich einfach umgebracht haben.

Da denke ich, fahren Menschen doch besser, die für sich herausgefunden haben, dass Medikamente einen großen Teil der Stabilität ausmachen und sie somit ein Leben mit Perspektive aufbauen konnten.

Medikamentenkritisch (nicht ablehnend) und die kritische Hinterfragung von hohen Medikamentendosen und heftigen Cocktails empfinde ich als legitim und wird bereits auch in der professionellen Fachwelt schon kritisch diskutiert. Das ist aber für mich etwas Anderes als zu behaupten, alle könnten es auch ohne Medis schaffen.


> Und DAS weckt meine soziale
> Triebe, Widerspruch, anregen zum Neu denken,
> wieder hinterfragen umsomehr weil ich diese
> Zustände selbst erlebt hatte, in mir und bei
> andere.
>
> Und ja den Einen Weg den ich beschritt der ist
> für mich so damals der einige gewesen .. zu
> diesen damaligen Umstände, aber möglich, weil
> der ergab sich quasie weil man merkte, der will
> und muss raus aus dieser Sphäre. Dafür werde
> immer dankbar sein.

Wenn es dein Weg ist und du mit diesem Leben was du führt zufrieden bist, dann kannst du dafür auch dankbar sein.

> Zurück zur Komfort Zone aber en Detail ..
>
> Versuch einer Definition:
>
> These: der für psychisch krank erklärte ergibt
> sich in sein Schicksal
>
> These2: der für psychisch krank denunzierte
> kämpft dagegen an
>
> .. wer hat mehr! Etwas, zu gewinnen,
> rück-zu-gewinnen
>
> .. wer bestätigt noch das vllt vielmehr Kranke
> Umfeld

Ich habe zwar eine Zeit durchlaufen, in der ich mich mit der Krankheit indentifizierte, ohne das dies mir nun aufgedrängt wurde. Da dachte ich, dass dies nun mein Leben sein wird und ich das Ende der Fahnenstange erreicht habe. Das war interessanter Weise in jener Zeit, wo kein Medikament half und ich sowohl ohne, wie auch mit Mekamente (aber ohne Wirkung) gelebt habe.

Dann kamen verschiedene Aspekte in mein Leben, 1. ein Medikament, was mir zumindest soweit half, dass ich nicht mehr so tief und so lange in depressiven Phasen verharrte, 2. Ein Kulturporjekt, was mich wieder mit meinen anderen Seiten meines Ichs (hier eben meine eigenen Ressourcen) verbunden hat, 3. Meine EX-IN-Ausbildung, die noch weitere Aspekte und Perspektiven mir aufzeigte. Aber ein ganz wichtiger Aspekt war, zu akzeptieren, das ich Grenzen haben, zu akzeptieren, dass depressive Phasen in meine Leben vorkommen können und zu akzeptieren, das mein Leben eben anders gelaufen ist, als geplant.

Erst da setzte ein Umdenkungsprozess ein, der mich damit vertraut machte, dass ich eben mehr bin, als nur meine Diagnose, mehr bin als meine Grenzen, aber diese Grenzen eben auch akzeptieren lernte. Erst dadurch öffneten sich bei mir weitere Türen.

Ich bin dankbar, dass mir Medikamente den Weg dafür geebnet haben, nicht nur, aber durchaus eben ihren Anteil hatten. Und ich bin auf diesem Weg Menschen begegnet, mit und ohne Medikamente, die ebenso auf ihrem Recovery-Weg waren oder sind.


> aber um zurück wieder aufzutauchen glaube ich
> ganz klar nicht das langfristige Medikamente, Alk,
> Drogen dieses wohl nur verständliche Ziel
> erreichbar machen .. daher muss man ehrlich sein
> sein zu sich, neue Wege probieren wie als ob ganz
> vereinfacht zugegeben ... das Klavier, der
> Tennisschläger ruft .. jetzt auf, du kannst es
> noch, bin da und habe Geduld, Fehler passieren ..
> waren doch schon immer Teil des Weges .. also,
> lass dir Zeit. So in etwa.

Ja sicher, sich nicht aufgeben, sich wieder was zutrauen, eine Aufgabe oder irgendetwas für sich zu finden, was einem Sinn vermittelt, kleine Herausforderungen zu meistern und mit sich fehlerfreundlich umzugehen, ist ein wichtiger Aspekt für den eigenen Weg, mit oder ohne Medikamente.

> Dennoch all ihr die ihr euch momentan mit euren
> Ärzten gut fühlt, bestimmt dabei seid euch zu
> sanieren, neue Wege zu finden .. macht das .. aber
> passt auf das ihr euch bitte nie daran gewöhnt
> insofern das ihr glaubt es - das Leben cool findet
> ..
>
> Never never ever forget: es ging Mal ohne!
>
> dc

Es gibt viele Menschen, die es Jahre und Jahrzehnte ohne probiert haben, um festzustellen, dass dies eben doch nicht das Leben ist, welches sie mit Lebensqualität verbinden. Ob es ohne geht oder nicht, hängt eben von vielen Faktoren ab.

Sei dankbar und froh, dass es bei Dir ohne geht, aber bitte schaue nicht auf die herab, die für sich herausgefunden haben, das dieser Weg nicht ihrer ist und für sie nicht funktioniert, denn du weißt nicht, was diese für sich selbst schon alles getan haben und was sie in ihrem Prozess schon meistern mussten, welche Höhen und Tiefen sie schon überstanden haben.

Viele Grüße Heike


------------------ Signatur --------------------------

Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.

"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.11.19 17:53.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

Lichtblick 3441 22. 10. 2019 19:16

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

Ydurt 859 22. 10. 2019 20:34

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

Mexx55 658 23. 10. 2019 00:06

"Paradigmen/Glaubenssätze"

A20213 748 23. 10. 2019 08:26

Re: "Paradigmen/Glaubenssätze"

dc 547 27. 10. 2019 13:44

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

turtle 830 23. 10. 2019 06:16

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

Deborah 550 23. 10. 2019 08:02

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

dino 586 23. 10. 2019 08:22

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

roobb 526 26. 10. 2019 02:16

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

Friday 590 23. 10. 2019 10:54

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

FLYHIGH 518 26. 10. 2019 13:21

Jetzt habe ich mal gerechnet, hoffentlich richtig

Lichtblick 548 27. 10. 2019 19:08

Re: Jetzt habe ich mal gerechnet, hoffentlich richtig

dc 490 28. 10. 2019 22:10

An dc

Lichtblick 511 29. 10. 2019 19:46

Re: An dc

Friday 453 30. 10. 2019 12:30

Re: An dc

dc 449 31. 10. 2019 04:51

Re:

A20213 671 31. 10. 2019 07:48

keine Schlaflosigkeit durch Lithium

FLYHIGH 528 31. 10. 2019 13:54

Re:

A20213 579 31. 10. 2019 15:31

Re: keine Schlaflosigkeit durch Lithium

Friday 409 31. 10. 2019 17:19

Re: An dc

nebulos 400 31. 10. 2019 17:10

Re: An dc

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Re: An dc

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nebulos 414 01. 11. 2019 23:50

Re: An dc

dc 459 03. 11. 2019 05:03

Re: An dc

nebulos 396 03. 11. 2019 15:24

Re: An dc

dc 368 04. 11. 2019 06:37

Re: An dc

nebulos 737 05. 11. 2019 18:35

Re: An dc

Heike 429 05. 11. 2019 19:06

es nötig haben...

dry 554 05. 11. 2019 19:28

Re: An dc

dc 383 07. 11. 2019 05:42

Re: An dc

nebulos 399 07. 11. 2019 19:09

Re: An dc

dc 429 08. 11. 2019 05:46

Re: An dc

nebulos 402 08. 11. 2019 19:03

Re: An dc

Heike 384 08. 11. 2019 17:47

Re: An dc

A20213 368 08. 11. 2019 20:30

Re: An dc

dc 565 11. 11. 2019 04:55

Re: An dc

A20213 379 11. 11. 2019 07:54

An A20213: Man kann bei unserer Krankheit nicht etwas erfinden

Lichtblick 356 11. 11. 2019 20:55

Re: An A20213: Man kann bei unserer Krankheit nicht etwas erfinden

A20213 358 11. 11. 2019 21:02

Re: An dc

Friday 585 12. 11. 2019 12:31

Re: An dc

A20213 418 12. 11. 2019 12:52

Re: An dc

dc 731 13. 11. 2019 04:32

Re: An dc

dc 413 11. 11. 2019 04:42

Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

Lichtblick 664 03. 11. 2019 16:56

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

dc 388 04. 11. 2019 06:45

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

A20213 392 04. 11. 2019 08:36

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

dc 395 05. 11. 2019 05:23

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

FLYHIGH 662 04. 11. 2019 08:49

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

dc 374 05. 11. 2019 05:19

Re: Frage

Kati-A 936 05. 11. 2019 16:21

Re: Frage

dc 407 07. 11. 2019 05:50

@ dc

FLYHIGH 390 05. 11. 2019 21:09

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

Friday 414 05. 11. 2019 11:25

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

Frankkk 569 05. 11. 2019 12:07

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

A20213 395 08. 11. 2019 06:47

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

FLYHIGH 527 08. 11. 2019 12:37

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

A20213 364 08. 11. 2019 13:23

Re: Was willst Du hier anderen Erkrankten mitteilen?

dc 387 09. 11. 2019 03:36

Re: An dc

fünkchen 601 31. 10. 2019 19:59

Re: An dc

dc 393 01. 11. 2019 03:33

An dc: Du schreibst nicht alles

Lichtblick 449 31. 10. 2019 20:47

Re: An dc: Du schreibst nicht alles

dc 436 31. 10. 2019 22:09

Re: An dc: Du schreibst nicht alles

FLYHIGH 416 01. 11. 2019 18:22

Re: An dc: Du schreibst nicht alles

dc 386 31. 10. 2019 22:25

Re: Jetzt habe ich mal gerechnet, hoffentlich richtig

rotkappe 477 29. 10. 2019 22:03

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

Ceily 628 07. 11. 2019 09:42

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

dc 489 08. 11. 2019 05:40

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

Ceily 401 08. 11. 2019 07:49

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

dc 459 09. 11. 2019 03:40

Re: Neues aus meiner Bipolar-Ambulanz

kinswoman 419 09. 11. 2019 09:34



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