Lieber Tobi,
danke für die Blumen! :-)
Ich kann keine Pastorin werden, nein, nicht, solang ich katholisch bin. Bei den Protestanten würde es gehen, aber da würde ich mich - glaube ich - nicht so wohl fühlen.
So tief hinein in die Kirche will ich aber auch eigentlich gar nicht. Dafür fühle ich mich nicht fromm genug. Ich bin ein ganz normales Mädel, das gerne shoppen geht, sich schminkt, schöne Klamotten anzieht. Nicht, dass das in der Realität einer kirchlichen Karriere im Weg stehen würde (zumindest nicht offiziell), aber für mich passt es irgendwie nicht zusammen. Ich spüre auch keine Berufung, oder so etwas. Naja, ich spüre schon gewisse Berufungen, aber die gehen nicht in Richtung Kirche. Eine davon führt zum Beispiel in Richtung eines Engagements für Kinder bipolarer Eltern...!
Nun aber zu den Themen, die du angeschnitten hast. Ich versuche mal, auf alles ein wenig einzugehen, wenn ich etwas vergessen sollte, hake ruhig nach. :-)
Du hast vollkommen Recht, wenn du sagst, dass der Glaube an Leid als Strafe noch weit verbreitet ist. Die offizielle Position der Kirche ist natürlich heutzutage anders. Das Problem ist nur, dass diese Position - und viel anderes übrigens auch - in der Welt nicht ankommt. Erst recht nicht in einem kleinen, erzkatholischen Dorf in Bayern, wo noch ein Pfarrer der "alten Generation" hockt und Exorzismus betreibt (Vorsicht, Überspitzung).
Das ist aber ein grundsätzliches Problem der Kirche. Viele Neuerungen sind einfach noch nicht bekannt genug oder werden vor Ort nicht durchgesetzt. Elementar ist natürlich auch, wie Menschen an die Kirche und den Glauben herangeführt werden. Normalerweise geschieht das im Kindesalter - die Dogmatik spricht hier von sogenannten Glaubenszeugen (im Unterschied zu Glaubenszeugnissen wie z.B. der Heiligen Schrift); Glaubenszeugen sind Eltern, Lehrer, Pfarrer, usw... Von ihnen hängt natürlich ganz viel ab. Wenn mir in der Grundschule erzählt worden wäre, dass Gott böse ist, wenn wir seinen Willen nicht erfüllen, und uns dann bestraft, dann würde ich heute sicherlich nicht Theologie studieren.
Wenn ich dich richtig verstehe - und das kann ich nur hoffen, weil ich mich noch (!) nicht mit der GfK beschäftigt habe - meinst du, dass wir Menschen selber entscheiden müssen, was richtig und was falsch ist. Und dass wir nicht blind gehorchen sollen, wenn eine -staatliche- Autorität uns etwas befiehlt. Dass es früher einmal richtig war, Hexen zu verbrennen, weil die Zeit halt so gestrickt war, und nicht, weil es >wirklich< richtig ist. Du sagst, du wägst deine Taten danach ab, was "dem Leben dient und was nicht".
Wie gesagt, bitte berichtige mich, wenn ich dich falsch verstehe. Übrigens befinden wir uns gerade in der Ethik, auch ein Lieblingsthema von mir. ;-)
Weißt du, man muss alles, was in der Bibel steht, und somit alles, was die Kirche daraus entnommen haben will, mit dem kritischen Auge der zeitlich-historischen Abhängigkeit betrachten. Das gilt vor allem für die Kirchengeschichte. Die Kirche ist - in erster Linie - ein menschliches Konstrukt. Und Menschen sind nun mal nicht unfehlbar, der Papst übrigens auch nicht. ;-) Auch, wenn es ein Dogma gibt, das ihn dazu befähigt.
Heutzutage vertritt man auch im katholischen Glauben die Position, dass es bei der Frage, was richtig und was falsch ist, unerlässlich ist, die menschliche Vernunft mit einzubeziehen. Die Vernunft wird sogar als Basis für das Verhalten des Einzelnen gesehen, der Glaube dann als, na, mir fällt kein Wort ein - ich sag mal "Konkretisierung".
Ich finde schon, dass der Glaube richtungsweisend sein kann, was ein moralisch richtiges Verhalten angeht. Der Glaube, nicht die Kirche! Das bedeutet aber nicht, dass man als vernünftig denkender Mensch nicht immer hinterfragen sollte, was der Glaube einem vorgibt.
Du sprichst übrigens einige wichtige Aspekte der Ethik an: Folgen einer Handlung, menschliche Erfahrung, Vernunft... Es gibt einige interessante ethische Positionen, die diese Dinge unterschiedlich gewichten. Der Utilitarismus z.B. beurteilt die Handlung richtig, welche den meisten Menschen den größten Nutzen bringt. So müsste man dem Utilitarismus nach ein Flugzeug, das von Terroristen entführt wurde und droht, gegen ein mit Menschen voll besetztes Hochhaus zu fliegen, zum "Wohle aller" abschießen.
Kant hingegen würde das nicht erlauben.
Das führt jetzt schon ziemlich weit, was ich hier schreibe.
Was mich jetzt interessiert: wie würdest du, bei der Frage, "wie soll ich handeln?", folgende Aspekte gewichten:
- die menschliche Vernunft
- die Religion
- die positiven und negativen Folgen einer Handlung
- die Intention einer Handlung (guter Wille)
- die Freiwilligkeit einer Handlung (absolute Freiwilligkeit)
Ich freue mich auf deine Antwort. Und bezüglich der Theodizee schreibe ich in einem anderen Ast des Baumes etwas, wenn du erlaubst - damit es sich nicht doppelt.
Lieber Gruß
die kleine Maus
26 J., w., süddt. Raum, Angehörige, Papa bipolar seit '91
Quote
Johann W. Goethe
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 04.10.11 19:22.