Hallo Miramis,
ich meine wie du, dass viele Faktoren zusammenkommen, sowohl bei der Entstehung von Depressionen wie ebenso beim Umgang damit. Du merkst vielleicht, ich spreche von Umgang und nicht von Heilung. Vieles liegt da auch bei mir nach wie vor im Dunkeln.
Vor und noch einige Jahre nachdem ich mich auf Li eingelassen hatte, hatte ich jährlich Depressionen von ca 4 -9 Monaten, mittelschwer bis schwer. Da blieb dann nicht viel Zeit und lange nur ein Aufatmen, dass es wieder vorbei war. Mit dem Li kam ich so allmählich etwas zur Ruhe, Krankheitseinsicht entwickelte sich und ich fand Kontakt zur Selbsthilfe. Mein Arzt fragte mich dann nach einiger Zeit, ob mir etwas fehlen würde von den up und down´s. Damals sagte ich nein, denn so froh war ich wieder mehr Ruhe zu spüren und Schwankungen nahm ich ja dennoch wahr. Neben dem Li kamen natürlich andere Faktoren hinzu, die erst im Nachhinein ihre Wirkung zeigten. Ich wurde Mutter, ein Halteseil am Leben für mich und gleichzeitig eine Herausforderung, dem Kind nicht zu viel aufbürden zu wollen. Eine Gratwanderung, die in den ersten Jahren von schweren Depressionen begleitet war. Da bin ich bis heute meiner Mutter sehr dankbar, dass sie dann für mein Kind da war. Die Motivation alles zu tun, was dieser Erkrankung entgegenwirken könnte, hatte ich nun.
Mit dem Li fand ich ein "Aufatmen", die Ruhe und Hoffnung, mich mit der, meiner Erkrankung, den Depressionen und der Suizidalität tiefgründig zu befassen. Up und down´s habe ich bis heute, aber sie werfen mich nicht mehr um. Ein paar Tage Depression kann ich zulassen, muss niemandem darüber Rechenschaft ablegen. Ich sehe es dann eher als ein zur Ruhe kommen, habe das Bedürfnis danach, rutsche aber nicht mehr ganz tief ab, Wenn ich diesem meinen Rhythmus des Lebens Raum und Zeit einräume, Motivation und Sinn für mein Leben erkenne, erschlägt mich die Bipo nicht mehr, Suizidalität kommt nicht mehr hoch.
Viele Jahre war ich gefühlt mit dem Li etwas unter dem Strich eingestellt, wie unter einer Decke, was mir erst mit der Zeit klar wurde auch durch Gespräche mit anderen, die ebenso fühlten als wenn die Ärzte auf "Nummer sicher" damit gehen wollten. Wie soll ein Arzt von außen auch so ein Feintuning vornehmen können. Dazu bedarf es der Mitwirkung und Rückmeldung des Betroffenen. So nach ca 20 Jahren Einnahme habe ich begonnen zu reduzieren in Absprache. Erstmal nahmen die Schwankungen zu, hups - und ich habe wieder aufdosiert. Dann nach einiger Zeit wieder ganz sachte reduziert und nach einer Gewöhnungsphase stellte sich die alte Stabilität ein. Dabei haben mir die Berichte von Friday hier im Forum sehr geholfen. Ich dosiere immer noch je nach Spiegel, gerade nach längerer Iboprofeneinnahme auch nach Spiegel. Ich fühle mich mehr im Leben.
Quote
Miramis
"Ich kenne das von mir übrigens sehr gut, dass ich immer wieder die Bedeutung meiner Gedanken und Empfindungen in Frage stelle.
Wenn dies zusätzlich auch noch von außen geschieht - im medizinischen Rahmen oder auch sonst im Leben - fühlt es sich an, als wenn mir alle Fundamente wegbrechen."
Hier sprichst du auch für mich eine Schwierigkeit an. Zuerst brauchen wir nach verunsichernden Phasen die Rückmeldung des Umfeldes, um wieder in einen stabilen Alltag zu finden. Dann kommen von dort allmählich Verunsicherungen, deren es nicht so leicht ist sich zu erwehren. Das Leben mit der Bipo bringt schon per se für mich einen größeren Tiefgang. Wenn dann andere mir ihre Deutungen von außen auch noch aufs Auge drücken wollen ohne Rücksprache mit mir, ohne verstehen zu wollen oder zu können, ist das schon herb. Sich dann mit den eigenen Gedanken und Empfindungen wieder behaupten zu lernen ist ein Kraft fordernder Prozess, der sich unbedingt lohnt.
LG
s.
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 31.10.22 10:20.