Hallo Laury,
du schreibst, was du über Neuroleptika an Nebenwirkungen gelesen hast, aber wie Neuroleptika überhaupt wirkt, das hast du anscheinend nicht gelesen.
Aber genau dieses Wissen, ist bei einem
kontrollierten Absetzversuch immens wichtig, sonst kann es zu teils auch schwerwiegenden Problemen kommen.
Ganz vereinfacht gesagt: Neuroleptika hat die Eigenschafft Dopamin-Rezeptoren an den Nervenzellen zu blockieren. Das führt dazu, dass die Reizweiterleitung verlangsamt, bzw. sogar unterbunden wird. Diese Eigenschafft soll Manien und Psychosen in Schach halten.
Eine natürliche Gegenreaktion vom Körper ist, dass mit der Zeit mehr Dopamin-Rezeptoren an einer Nervenzelle entstehen. Das heißt, wird das Medikament zu schnell oder ganz plötzlich abgesetzt, sind die Zellen wesentlich stärker "erregbar", als sie es vorher waren. Folge werden dann eben Schlafstörungen und ggf. auch eine Absetz-Manie oder Psychose sein.
Deshalb:
Niemals zu schnell oder plötzlich ein Neuroleptika absetzen!!!!
Wer die Dosis verringern möchte oder eben doch ganz ausschleichen möchte, sollte es erstens nicht unkontrolliert machen und zweitens sich dabei Zeit nehmen und drittens sich gut darauf vorbereiten.
Vorbereitung: Wissen über die Wirkweise des Neuroleptikums aneignen. Wissen über das kontrollierte, langsame Ausschleichen aneignen (ggf. Bücher). Wissen über mögliche Risiken bei einem Absetzversuch aneignen.
Um sich vor den Risiken ein mögliches Netz mit doppelten Boden zu spannen, bedarf es genau zu überlegen, welche Frühwarnsymptome man selbst kennt, zu überlegen im Bedarfsfall ggf. wieder etwas aufdosieren oder aber Bedarfsmedikamente zur Hand zu haben. Soziales Netz und die medizinische Versorgung durch den Facharzt mit hineinnehmen und sich genau zu überlegen, was im schlimmsten Falle einer Manie, Psychose passieren soll.
Wenn ein eigentlich als "Schutz" gedachtes Medikament raus genommen wird, sollte die Lücke durch etwas anderes ersetzt werden, denn die "Verletztlichkeit" oder die "dünne Haut" wird weiterhin bestehen bleiben, da braucht es also Strategien, um prophylaktisch Vorzubeugen, bzw. eine anfahrende Manie oder Depression begegnen zu können. Das können andere Medikamente, die als Prophylaxe einsetzbar sind, sein und ebenfalls überdenken und ggf. Änderung (meist durch Psychotherpie und Selbsthilfegruppen) seiner Verhaltensweisen und Aneignung von Strategien.
Durchführung: Mit dem Arzt genau zu überlegen, wie der Reduzierungs- oder Absetzplan verlaufen soll. So langsam wie möglich vorgehen (Je länger und je höher das Medikament zuvor drin war, um so länger wird es brauchen, um es auszuschleichen) und keine Angst davor zu haben, ggf. mal für eine Zeit wieder aufzudosieren, wenn Frühwarnsymptome anzeigen, dass es zu schnell geht oder eben ein Bedarfsmedikament zur Hand zu haben.
Panik hat noch nie dabei geholfen, ein Medikament auszuschleichen. Lieber besonnen und gut vorbereitet dieses Projekt in Angriff nehmen.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.12.20 11:08.