Liebe Milla,
ja, ich hatte auch massiven Verfolgungswahn. Ich bin ja nicht mehr raus gegangen und habe auch
niemanden rein gelassen.
Ich wollte die Welt einmal wieder zu einem besseren Ort machen und andere diffuse Gedankengänge.
Ich hatte einfach letztes Jahr zu viele emotionale Baustellen und das Hamsterrad drehte sich immens
schnell.
Ich bin überaus dankbar, dass ich doch nicht so wichtig bin und nicht alle hinter mir her sind. Ich
habe in der Klinik seitenweise lateinische Fachbegriffe geschrieben, weil ich so schnelle Gedanken
und Ideen hatte.
Ich habe aber auch viel gemalt und das sah wirklich ganz gut aus um runter zu kommen. Mein Lithium-
spiegel lag bei 0,3 jetzt ist er bei 0,5.
Das ist einfach zu wenig, wird jetzt aber überwacht. Mir fehlt mein fürsorglicher Partner, der mich einge-
packt hat und wir haben uns zu den Schafen gesetzt, geplappert und die Ruhe genossen. Alleine mag
ich da momentan nicht sitzen, trotz der vielen Schafe.
Als ich 2017 meine schlimme Manie hatte, war es auch megapeinlich in meine alte Wohnung zurück
zu kehren, obwohl ich sie bald gekündigt habe.
Vorher mochten die Nachbarn mich sehr gerne und haben mit mir oft geklönt und hinterher wurde ich
nur schnell begrüßt und das war es. Ich war froh, da weg zu kommen und hinterher traurig, weil die
neue Wohnung furchtbar war, die mein Partner schnell für uns gesucht hatte.
Fast jeder hat über mich geredet, der Hausmeister, die Nachbarn, die Vermietung, der Kleingartenverein,
die Schule meines Sohnes usw.usw.
Vorher als ich völlig überfordert mit allem war, alleinerziehend, in Vollzeit arbeitend mit einem Sorgerechts-
streit hatte ich keinerlei Unterstützung und als ich dann manisch wurde mit all der Belastung seit Jahren
wurde auf mich gezeigt.
Jetzt lasse ich es ruhiger angehen. Ehrlich gesagt, bin ich gerade sehr gerne allein. Ich fahre nachher
endlich mal zum Friseur. Da ist es immer sehr nett, da fühle ich mich wohl. Er ist sehr altmodich und
man bekommt da noch einen Cappuccino und sehr gute und ehrlich Gespräche.
Morgen fahre ich zu meiner Lieblingsärztin nach Hamburg und ich werde jetzt erst einmal nicht arbeiten.
Ich wußte nicht, wie hart die Trauer sein kann. Ich möchte mich auch nicht neu verlieben, wie mein Vater
immer sagt, ich möchte sie gesund verarbeiten.
Hier bei uns war gestern Fasching, wir scheinen die Hochburg dafür zu sein, im Norden. Ich fand es sehr
lustig, dass Menschen in Hasenkostümen mit lauter Musik zu Aldi hereinkamen und einkauften.
Diese Leichtigkeit hätte ich auch gern wieder und sie kommt.
Ich habe im KS so viele Tabletten mehr bekommen, also das mache ich definitiv nicht mit. Null Lebens-
qualität hatte ich danach. Dann kann ich auch eine Flasche Whiskey trinken. Momentan schreibe ich viel.
Ich hoffe, ich gehe niemanden damit auf die Nerven.
Lieben Gruß
Turicum