Re: Die Bipolare Störung und das Alter.

29. 12. 2022 05:48
Hallo Foris,

die derzeit meinen Alltag bestimmende physische Erkrankung läßt mich nochmals zurückkommen zu den Überlegungen,
ob es zwischen der Bipolaren Störung und den im Alter auftretenden Krankheiten einen Zusammenhang geben kann.

Die Belastungen und Einschränkungen in und ausserhalb der akuten Krankheitsphasen der Bipolaren Störung bleiben
nicht "in den Kleidern hängen."

Aus heutiger Sicht kann es doch gut sein, dass sie langfristig zu physischen Beeinträchtigungen oder Krankheiten führen!?

Ich suche für mich in diesem Punkt Klarheit, um meine derzeitige körperliche Erkrankung annehmen zu können.
Dass Nerven nur sehr langsam heilen, weiß ich mittlerweile Gott sei Dank. Ob mein derzeitiger Zustand
- pendelnd zwischen Verbesserung und Verschlechterung - bleibt, ist ungewiß.
Diese Ungewißheit macht mir sehr zu schaffen.

Gerne würde ich mich durch die Einnahme meines Notfallmedikaments Olanzapin rausziehen aus der Denkerei.
Das ist nach wie vor nicht möglich. An der Carbamazepindosis darf auch nicht geschraubt werden.
Also muß ich mich durch diese schwierige Situation irgendwie durchhangeln.

Meine größte Angst, versehentlich im Krankenhaus in der psychiatrischen Abteilung zu landen,
ist Gott sei Dank nicht eingetreten. Ganz abweglich war meine Sorge allerdings nicht.

Als mir der Neurologe, den ich in seiner Praxis aufsuchte, erklärte, er sei für meine Erkrankung nicht zuständig, fragte ich ihn: "Weshalb lag ich denn dann im Krankenhaus auf einer Station der Neurologie?" Die Antwort lautete: "... weil vermutlich nur da ein Bett frei war." Und er ergänzte, er habe es oft erlebt, dass Patienten bei ihm landeten, als er im Krankenhaus arbeitete.

Mein Vertrauen in die schulmedizinische Ärzteschaft hält sich somit nach wie vor in sehr engen Grenzen.

* * *

Bei der Suche nach dem, was mich tröstet und mir hilft, mich erneut zu erden, habe ich einen Aufsatz des Psychologieprofessors Werner Greve gefunden, zum Thema "Das Unangenehme nicht bestreiten".
Ich gebe den Inhalt auszugsweise in eigenen Worten wieder.

Werner Greve ist der Meinung: eine der eindrucksvollsten Besonderheiten des Menschen sei die unglaubliche Elastizität,
mit der er kritische Erfahrungen verarbeitet. Gemeint ist damit, dass wir (die Menschen) es schaffen, das Erlebte nicht zu vergessen oder verdrängen zu müssen. Und trotzdem gelingt es, die Erfahrungen so einzuordnen, dass das Leben seinen Sinn entweder wiedergewinnt oder gar nicht erst verliert. Der Psychologieprofessor vergleicht das mit einem großen Bau-
gerüst, das uns stützt und das wir ggbfs. umbauen müssen.

* * *
In den manisch-psychotischen Krankheitsphasen herrschte ja das Gefühl vor "kraftvoll und gesund" zu sein.
Auch wenn das ein Trugschluß war und ich es mit langjährigen Anschlußdepressionen teuer bezahlt habe.
Aufgeben war für mich dennoch niemals ein Thema.

Meine jetzige physische Erkrankung hat mich gefühlt vollkommen aus der Bahn geworfen.
Doch 4 Monate nach der Diagnose, nach Tränen und Zähneknirschen, will ich mich nun wieder berappeln.
Endlich eine Heimat, ein Zuhause und eine Umgebung gefunden, in der ich mich geborgen fühle, gebe ich das alles
unter keinen Umständen wieder auf.

* * *

Werner Greve schreibt:
Im ersten Moment denken wir das Leben ist zuende.
... und dann muß dieses uns bisher stützende Baugerüst, Stück für Stück verändert werden.

Wenn alle Stangen auf einmal umgesteckt würden, dann ginge das Gerüst kaputt.
Aber wir (die Menschen) können hier eine Stange umstecken und dort - und nach einer längeren Umbauzeit
steht kein Stück mehr da, wo es einmal gestanden hat.

Anmerkung von mir:
Dann ist ein anderes, stützendes Gerüst entstanden.

* * *

Das Neue Jahr ist ein guter Zeitpunkt, mit dem Umbau anzufangen.


Danke für's Lesen!

Viele Grüße

Deborah


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Wer etwas will, sucht Wege.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe.

Lerne erst laufen,
bevor du versuchst zu rennen.
("zeitzuleben", Ralf Senftleben)

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3-mal bearbeitet. Zuletzt am 29.12.22 06:12.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Die Bipolare Störung und das Alter.

Deborah 1448 25. 12. 2022 08:27

Krankheit und Alter.

Deborah 257 27. 12. 2022 07:35

Re: Krankheit und Alter.

Tomfred 254 27. 12. 2022 22:22

@ Tomfred

Miramis 217 28. 12. 2022 01:27

Re: @ Tomfred

Tomfred 170 28. 12. 2022 13:06

Re: @ Tomfred

FLYHIGH 156 28. 12. 2022 15:57

@ Tomfred

Deborah 231 28. 12. 2022 04:52

Re: Krankheit und Alter.

soulvision 160 28. 12. 2022 11:15

@ Deborah / "Seelenbank"

Miramis 165 28. 12. 2022 04:37

Re: Die Bipolare Störung und das Alter.

Friday 251 27. 12. 2022 12:28

Re: Die Bipolare Störung und das Alter.

Tomfred 322 27. 12. 2022 18:04

@ Tomfred

Deborah 180 28. 12. 2022 05:15

Re: Die Bipolare Störung und das Alter.

Leuchtturm1 195 28. 12. 2022 09:52

Re: Die Bipolare Störung und das Alter.

Deborah 346 29. 12. 2022 05:48

Baugerüste und andere Stützwerke / @ Deborah

Miramis 505 29. 12. 2022 07:04



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