Hallo Matze,
ich kann Dich bezüglich der Skepsis gegenüber den Medikamenten sehr gut verstehen.
Ist noch nicht so lange her, dass ich geschluckt habe, dass die Pillenfresserei so ziemlich sicher lebenslang sein wird.
Unsere Krankheit sieht man halt nicht zu jedem Zeitpunkt auf den ersten Blick.
Aber meiner Tochter hätte ich bei der Erstmanifestation ihres Diabetes Typ 1 im 5. Lebensjahr auch nicht das Insulin verweigert. Ich musste sie von einem Tag auf den anderen spritzen. Davon hing ihr Überleben ab.
Ich habe die letzten Jahre nicht wenige Selbstmorde mitbekommen. Unsere Krankheit ist auch potenziell lebensgefährlich und ich habe selber Glück, dass ich noch da bin. Habe auch keinen Bock, mir in einer 'Phase' wertvolle Beziehungen zu zerstören oder meine Existenz aufs Spiel zu setzen.
Genug gelitten. Ich freue mich über jeden Tag, an dem es mir gut geht.
1/3 meines Lebens bin ich gefühlt wie schon mein Opa und meine Grosstante nur rumgelegen und habe mich über die Energie anderer und die meines Exmannes nur gewundert.
Gerade für das wunderschöne Projekt Familie ist Sicherheit wichtig. So langweilig sich das anhören mag.
Ich weiß, dass meine Töchter viel zuviel Streit und dicke Luft und eine müde Mutter erdulden mussten. Und das tut mir sehr, sehr leid und ich hoffe, sie haben nicht zuviel Schaden an ihrer Seele genommen.
Meine Ehe hat 20 Jahre gehalten, war aber immer wieder von der Krankheit überschattet.
Mein Exmann gab als Trennungsgrund meine Depressionen an.
Hätte jemand oder hätte ich damals erkannt, dass ich bipolar bin und dringend eine Phasenprophylaxe brauche, dann hätte man den Scherbenhaufen vielleicht verhindern können.
Schuld hilft uns jetzt nicht weiter. Das ist Schnee von gestern.
Aber heute möchte ich über meine Krankheit gut informiert sein und die professionellen Hilfen in Anspruch nehmen, die es gibt.
Zu meinem Wohl und immer noch auch zum Wohl meiner Kinder. Vielleicht auch ein wenig Wiedergutmachung.
Du wirst es selbst wissen, Kinder psychisch kranker Eltern sind einem enormen chronischen Stress ausgesetzt.
Frühe Bindungen haben späte Folgen.
Dieser Stress lässt sich begrenzen, wenn sich die Eltern behandeln lassen. Dann können auch psychisch kranke Eltern gute Eltern sein.
Ich freue mich sehr für Dich, dass Du gerade auch immer wieder mal an Familieplanung denkst.
Für mich war Familie der größte und schönste Sinn meines Lebens. Trotz allem......
Einen schönen Abend wünscht Dir
Frech