Ich brauchte eine zweite heftige Manie, um zu begreifen, dass es nicht ohne Medikamente geht. Ich musste auf die Fresse fallen.
Mir hat sehr geholfen, während der akuten Phase Tagebuch (zugegeben: Blog) zu schreiben und hinterher all den Schmarrn zu lesen, den ich verzapft hatte und mich dafür gründlich zu schämen. Besonders hilfreich war, dass ich auch eine "Psychose bebildern" wollte ... ich hab Fotos gemacht ohne Ende (mit dem Handy) und habe mich dadurch hinterher überhaupt daran erinnern können, wie ich die Welt in dieser Phase wahrnahm, was mir wichtig war und was nicht.
Auf diese Weise habe ich meine Selbstbeobachtung dokumentiert, Frühwarnzeichen herausgearbeitet und immer wieder ausprobiert und angepasst.
Nach der ersten Psychose hatte ich einen Notfallplan gemacht und Vollmachten erteilt und pipapo - in der zweiten akuten Phase habe ich die dann zerrissen. Man kann sich nicht darauf vorbereiten, die Welle gut zu reiten. Man kann nur gar nicht erst aufs Surfbrett steigen.
Ich glaube, bei allen Hilfsangeboten ist es das Wichtigste, zu akzeptieren, dass man jenen nicht helfen kann, die keine Hilfe wollen. Wer nicht raus will aus seinem Wahngebäude, dem kann man noch so lang die Hand hinhalten, der wird nicht kommen.
Für mich besonders hilfreich waren die Integrierte Versorgung und die dort beschäftigten Genesungsbegleiter. Ich hatte nämlich tierische Angst vor erneutem Klinikaufenthalt (Fixierung etc.) und dort konnte ich auch zur Vermeidung von Krankenhausaufenthalten die Krisenpension nutzen, die ich jederzeit verlassen durfte, wenn ich wollte. Ich habe über Jahre hinweg peu a peu erlernt, dass es okay ist, Hilfe anzunehmen und mich immer früher gemeldet, so dass ich mittlerweile rechtzeitig gegensteuern kann (medikamentös oder mit Krisengespräch), bevor das Kind in den Brunnen fällt.
Der zweite Anker ist meine Psychiaterin, die mich nach einem meiner Kurzaufenthalte in der Psychiatrie unter ihre Fittiche nahm. Bei ihr weiß ich, dass sie mir keine Medis aufquatscht, um Geld zu machen, sondern dass es ihr wirklich um mein Wohlergehen geht. Wir haben es versucht mit Olanzapin auf Bedarf --> Geschlossene. Ging nicht. Wir haben es versucht mit Lithium --> Schuppenflechte ausgebrochen und auf einmal war die Hölle los in meinem Körper durch zig Medis auch von Orthopäden etc. Ging nicht. Mit der jetzigen Phasenprophylaxe bin ich sehr zufrieden.
Was mir auch mega geholfen hat, war die EX-IN-Ausbildung, weil ich dort Wertschätzung erfahren habe - nicht nur trotz, sondern gerade wegen meiner Erfahrung. Und dort habe ich noch mal dazugelernt, wie ich den Umgang mit mir selbst verbessern kann.
Das ist meine Erfahrung, aber ich glaube, eine allgemeine Antwort auf die Frage, wie man einen Menschen begleiten kann, gibt es nicht. Dazu muss man diesen Menschen fragen. Am besten außerhalb einer akuten Phase, dann auch mal über die zurückliegende akute Phase sprechen.
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Pronomen: er, Baujahr 80, GdB 50, voll erwerbsgemindert, berufsunfähig
Diagnosen: 03/2009 rezidiv. Depression, 06/2012 schizo-affektive Störung, 08/2016 bipolare Störung, 02/2019 Psoriasis, 03/2019 Psoriasisarthritis, 10/2021 Schlafapnoe, 07/23 VD ME/CFS, 05/24 Herzinsuffizienz + Vorhofflimmern u.a.
Medis: Valproat 500mg 1-0-2-0, bei Bedarf Perazin 25mg 1-3x/Tag u.a.
Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen.