Hallo phineas,
Ja das ist richtig es gibt viele Nuancen und Individualitäten. Nur ist das was ich jetzt im klinischen Alltag sehe hinsichtlich dem stellen einer Diagnose manchmal doch zumindest fragwürdig. Bzw sollte man eine einmal gestellte Diagnose auch immer mal wieder auf den Prüfstand stellen wenn es dazu hinreichend Anhaltspunkte gibt.
naturlich fehlt im klinischen Alltag oft für solche kritischen Betrachtungen die Zeit aber es kann sich durchaus lohnen seine eigene Stempel mal genauer anzuschauen. Eine psychiatrische Erkrankung ist eben keine blickdiagnose sondern erfordert Erfahrung und Zeit beim untersucher.
Und gerade wenn ich von Personen lese die seit Jahren "stabil" leben könnte man alte Diagnosen mal kritisch hinterfragen. Die bipolare Erkrankung ist leider eine chronische Erkrankung die unbehandelt und leider auch oft unter Behandlung die Tendenz zur Verschlechterung zeigt.
Wir hatten hier vor kurzem einen Artikel zum Thema ADHS mit den Professoren besprochen. Man hat Kinder auf Symptome untersucht und dabei die Gruppe der 6 jährigem von den 7 jährigem getrennt betrachtet. Diese hatten also ein Jahr mehr Entwicklungszeit. Die ältere Gruppe zeigte dabei in einem schulischen Setting signifikant seltener ADHS Symptome als die jüngere Gruppe, bei denen dann auch signifikant häufiger Medikamente verordnet wurden. Die Konsequenz aus so einer Betrachtung könnte sein, dass man Kinder ein Jahr später einschult und einigen davon die Diagnose ADHS "ersparen" kann, da manche unruhigen Wesenszüge einfach auch in der kindlichen Entwicklung begründet liegen. Dieser Bias dem wir hier Betrieben führt zu Fehldiagnosen und damit auch zu unnötigen Behandlungen.
Wobei ich aber nich falsch verstanden werden möchte: wer erkrankt ist muss adäquat behandelt werden!
Mit besten Grüßen,
Li-Freak
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Männlich, 46, ADHS + Bipolar + PTBS - Arzt / Dipl.-Phys., verheiratet, zwei kleine Kinder
Medikation: ich schreib ab und zu mal was dazu im Forum...