Hallo,
ich arbeite nun schon fast seit 10 Jahren im sozialpsychiatrischen Bereich und der Fachkräftemangel war natürlich auch schon lange vorher spürbar. Aber erst in den letzten 2 Jahren, vor allem in diesem Jahr ist dieser drastisch zu merken.
Die KollegInnen arbeiten alle nur noch auf Reserve und alle anderen Dienstleistungen nebst Kliniken heben die Hände bei akuten Krisen und sagen, solange noch nichts "schlimmes passiert ist" müsst ihr selbst sehen damit klar zu kommen.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wo das noch hinführen soll. Betroffenen wird immer wieder gesagt, holt euch Hilfe, aber wo denn? Und Menschen, die selber nicht in der Lage sind sich Hilfe zu holen, bleiben sich selbst überlassen.
Das neue Unterbringungsgesetzt mag dem Mißbrauch entgegenwirken und es gab gute Gründe dafür, diesen zu verankern, aber mitlerweile sehe ich auch die Auswirkungen dieser. Die manische Energie kann im Menschen ungehindert wüten und diesem die letzte Würde nehmen, solange sie sich nicht selbst- oder fremdgefährden. Ich bin ambivalent in dieser Hinsicht. Gepaart mit dem extremen Personalmangel ist es selbst für die professionellen Anbieter sozialpsychiatrischer Dienste schwer noch adäquat Menschen zu begleiten und zu unterstützen. Es gibt wenig Miteinander unter den einzelnen Akteuren, jeder sieht zu, sich noch mehr vor Überforderung der Ressourcen zu schützen. Verständlich, aber es ist ein Teufelskreis, die Leidtragenden sind die Betroffenen nebst Angehörigen.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).