Hallo Anna,
wenn ich in einer tieferen depressiven Phase hänge, fällt es mir auch schwer, den Kontakt zu halten, aufzustehen und alltägliche Dinge zu verrichten. Das gehört einfach zur Depression.
Was soll ich jemanden auch sagen, wenn in meinem Kopf immer wieder die selben Kreise durchlaufen werden. Es ist etwas anderes, wenn man niedergeschlagen ist, weil man tief verletzt wurde, weil man seinen Job verloren hat, weil ein Mensch gegangen ist, weil eine große Erwartung nicht erfüllt wurde, etc. pp. In all diesen Dinge kann man sicherlich über diese Enttäuschung, Verletzung und Traurigkeit reden.
Aber in einer Depression fehlt oft der ganz konkrete Grund. Man empfindet einfach alles als Sinnlos. Alles scheint in einer Bedeutungslosigkeit zu verschwinden und man selbst fühlt sich ggf. auch ganz wertlos. Ein Gefühl von einem immerwährenden Kampf, der einen völlig niederdrügt und den Lebensmut raubt.
Wenn das Telefon klingelte war es grausam, ich ging nicht dran. Wenn es an der Haustür klingelte, verfluchte ich denjenigen und hab mich unter der Bettdecke verkrochen. Mein Gedanke war nur: "Lasst mich endlich alle in Ruhe".
Hilfreich waren für mich die Menschen, die ohne eine Erwartung einen Kontaktversuch starteten. So war es eine Postkarte von meinen damaligen Arbeitskollegen, die mir zeigte, ich war nicht vergessen. Da war die Email, die ganz unverbindlich mir Mut zusprach, mir sagte, dass dieser Mensch für mich da sei, ich selbst entscheiden könnte, ob ich das Angebot wahr nehmen möchte. Da war es die Nachricht auf dem Anrufbeantworter, die ein Hallo sagte, mir mitteilte, dass an mich gedacht wurde und sie zur Verfügung stehen, wenn ich Hilfe brauchte.
Also eine Haltung, die keinen Druck ausübte, aber zeigte, ich bin da, wenn du mich brauchst.
Eine schöne Erfahrung schilderte auch Pat Deegan, die so ungefähr Folgendes wiedergab: Nach ihrem Klinikaufenthalt aufgrund ihrer Psychose, saß sie nur in einem Schaukelstuhl in ihrem Zimmer trank Cola und rauchte, tagein, tagaus. Jeden Tag aber kam ihre Großmutter nur einmal in ihr Zimmer und sagte ihr, "Möchtest du mit mir einkaufen gehen?". Sie ging wieder heraus, aber überließ es ihr, sie kam nie ein zweites Mal. Eines Tages, nach vielen Monaten dann, hatte diese Frage Erfolg, Pat zog sich an und ging mit ihrer Großmutter einkaufen.
Wahrscheinlich war es die ganz unverbindliche Frage ohne Druck auszuüben und dass die Großmutter dabei blieb und die Hoffnung nicht auf gab, dass sie irgend wann einmal damit Erfolg haben würde.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.07.17 18:16.
