Hallol Birgit,

den letzten Satz deines Beitrages kann ich nur voll unterstreichen, da ich derselben Meinung bin.
Dann muß ich da noch etwas mal aus meiner Sicht erläutern, wo ich glaube falsch verstanden worden zu sein.

Und zwar diesen Satz:
>Zu euren beiden Beiträgen möchte ich sagen, daß ich es ganz schlimm finde, daß ihr eure Sensibilität als Symptom einer Krankheit empfindet<

So habe ich es eigentlich nie verstanden.
Sondern die Sensibilität, die sich schon im Kleinkindalter bei mir gezeigt hat, und vor allem wie aus der Umgebung damit umgegangen wurde, hat zur Verdrängung und Verleumdung der Gefühle geführt.
Ich konnte nicht mein wahres inneres und meine Gefühle zeigen, weil von überall nur Unverständnis kam, und ich wurde ausgelacht.
Ich gebe mich ja damit auch anderen preis.
Die Anderen wissen damit schon mit welchen Worten und Taten sie mich im Innersten treffen können.
In der Kindheit habe ich auch erfahren, daß ich keine echte Freunde hatte, weil ich glaubte mich vor keinem ganz zu öffnen.
Dazu kommt noch, daß ich meinem Vater in der Sensibilität sehr ähnlich bin. Er gab es mir gegenüber nur nicht zu.

Mein Vater hat auch schmerzlich erfahren müssen, daß Sensibilität und hohe moralische Ansprüche an sich selbst ihm sehr zu schaffen gemacht haben.
Und zwar im letzten Weltkrieg, wo er hat 8 Jahre unfreiwillig hat teilnehmen müssen.
Wer nicht mitmachte , oder den Gehorsam verweigerte hatte ernste Konsequenzen zu erwarten.
Da gab es für solche oft die Entscheidung Gehorsam, oder
eigener Tod, entweder durch den Feind, oder bei Gehorsamsverweigerung auch durch die eigene Wehrmacht.

Als er dann bei mir dieselbe Sensibilität endeckte, glaubte er aus mir einen "harten Menschen" zu machen mit seiner Erziehung.
Es war sicherlich gut von ihm gemeint, so sehe ich das heute.
Er wollte, daß ich härter werde, um besser durch Leben zu kommen.
Aus Kriegstagen hat er nie viel erzählt, außer so wo sie überall eingesetzt waren und so nebensächliche Dinge.

Ich glaube aus dieser Zeit hat er viele unverarbeitete Dinge mit sich herumgetragen, mit dem er mit keinem sprechn konnte.
Auch nicht mit meiner Mutter.
Ich hatte es auch schon einmal versucht.
Aber ich habe da auf Granit gebissen.
Er hätte dann zugeben müssen, genauso sensibel zu sein wie er mich nicht haben wollte.
Dann noch etwas. Mein Vater war auch MD. Und zwar erst nachdem er aus der Gefangenschaft nach dem Krieg nachhause kam.
Er war nie in einer Klinik. Die manischen Phasen waren zwar zu erkennen, aber nicht so schlimm.

Die Depresssionen aber waren so schlimm und langwierig, daß er manchmal ein gnazes Jahr nur im Bett verbringen mußte.
Dabei hatten wir ein kleine Landwirtschaft, von der wir leben mußten.
Die hat meine Mutter dann fast alleine bewältigen müssen.
Dazu hat mein Vater, wenn er im Bett sich nätürlich große Sorgen um die Familie gemacht und nur gejammert.
Oft sagte er "Ihr habt mich nicht mehr lange",und dann noch
gesagt: "Dann werdet ihr ganz unter die Füsse der anderen kommen.
Wie er das gemeint hat weiss ich bis heute noch nicht.
Ich glaube aber, daß er auch oft Selbsmordabsichten hatte.
Ich will heute auch keine Vorwürfe an meinen Vater machen, da ich ja auch Depressionen schon seit ca. 1970 aus eigener Erfahrung kenne.
Man sieht halt alles nur schwarz und kann eifach nichts tun.

Als kleines Kind habe ich das schon alles miterleben müssen.
Und wie das sich auf die Psyche eines Kindes auswirkt, kann man sich wohl gut vorstellen.
Habe sooft "ich" benutzt, weil ich jetzt in einer Gruppe von Emtions Anonymus bin, und da ist das Wort "man" verpönt. Finde das aber gut. Es wird einem manches klarer.
Ich habe das so ausführlich beschrieben, vielleicht kann sich ja auch jemand hier wiederfinden.
MfG Ditmar