Hallo Deborah! Dann gehörst du also zu den Kriegskindern, wie meine Eltern. Du schreibst von Ersatzmüttern, da kann ich dich ja nur beglückwünschen.

Es ist bei mir ein sehr schambehaftetes Thema mit den Ersatzmüttern. Denn ich suchte mir diese auch, allerdings waren sie männlich und wenn eine 14jährige vertrauliche Briefe an erwachsene Männer schreibt, kannst dir ja denken, wie das interpretiert wurde. Leider wurde ich so auch nicht wirklich fündig :-D Ich wollte einfach nur gesehen und an-/ernstgenommen werden.

Wenn meine Mutter schon eine schlimme Kindheit hatte mit dem prügelnden Vater und der entsetzlichen Armut, dann bleibt einem beim Schicksal ihrer Mutter die Spucke weg. Sie wurde 1912 in Murrhardt geboren und hatte 16 Geschwister. Bettelarm und der Vater hatte aus dem Krieg einen Kopfschuss mitgebracht und soff, verprügelte natürlich auch die Kinder. Bis das Jugendamt die Kinder holte und "in Pflege" gab. Im Fall meiner Oma hieß das, sie wurde im Alter von sieben weit weg von zu Hause bei Bauern untergebracht, die ihr zwar Kleidung, Essen und Schule ermöglichten, aber ansonsten wie eine kleine Magd hielten. Als ihr mal eine Kuh auf den Fuß trat, wurde das nicht richtig behandelt und wuchs schief zusammen.

Meine Oma hat mich von meiner Geburt an verachtet, meine Schwester war das goldene Kind. Meine Mutter gab das erst zu, als sie verstarb.

Meine Mutter war mit dem goldenen Kind nicht so ganz festgelegt. Eher war es meine Schwester, aber festlegen kann ich mich da nicht. Ich wurde vielleicht eher bemuttert (aber auch kontrolliert und meine Grenzen wurden dabei überschritten), meine Schwester wurde dafür ernst genommen.

Auch nur leiseste Kritik an meiner Mutter und ihrem Verhalten war tabu, für uns beide. Eine Mutter steht schließlich über allem. Wir hätten es beide nie gewagt, ihr die Meinung über ihre emotionalen Erpressungen ins Gesicht zu sagen. Entweder gab das Geschrei und sie schmollte dann ausgiebig, um uns zu bestrafen oder sie setzte ein herzzerreißendes Geflenne an.

Streit unter uns Kindern schlichtete sie nicht. Sie war entweder der Meinung, wir müssten das unter uns ausmachen (sechs Jahre jünger als meine Schwester zog ich da den Kürzeren) oder beendete den Streit einfach mit einem Machtwort.

Ach, mir fällt da jetzt so vieles ein. Aber das Gute ist, ich bin in guter Gesellschaft. Wenn ich Menschen meiner Generation drauf anspreche, berichten diese von ähnlichen Erfahrungen. Vor allem Enge und Kleingeisterei und reine Lebensfreude als Tabu.

Ich lese gerade das Buch "Wenn Mütter nicht lieben", das einen zweiten Teil hat, den man durcharbeiten kann. Manche Aufgaben, machen richtig Lust darauf, es anzugehen. Heute will ich die erste Aufgabe angehen: eine Liste machen mit den Lügen meiner Mutter und in einer zweiten Spalte die Wahrheit dazu. Die Lügen schneidet man ab und vernichtet sie außer Haus. Die zweite hängt man an einen Ballon und lässt ihn steigen.

Sumosimi

Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.