Hallo Friday,
danke für den beigefügten Link.
Sowohl als selbst Depressions-Erfahrene, als auch als im Hilfesystem Tätige, kann ich dem Artikel gut folgen.
Am Anfang meiner, ich nenne es mal bei mir "Depressions-Kariere", war es auch so, dass ich dem Denken und Fühlen, bzw. dem Trieb, im Bett liegen zu bleiben und der massiven Antriebslosigkeit, nichts entgegen zu setzen hatte. Aufforderungen kamen mir als Druck vor, der dieses "Müssen" verstärkte und zu noch stärkerer Lähmung führte. Es kommt ja auch darauf an, wie stark gerade die Depressionsphase ist.
Aus heutiger Sicht würde ich sagen, ich habe mich der Depression "ergeben" und ich hatte einfach noch keine Ahnung von Ressourcen, von dem, was mir helfen konnte, vor allem, in den Zeiten, wo die Depression mich nicht ganz so fest umschlungen hatte.
Zudem kam der Gedanken, dass ich ja erst genesen müsste, um überhaupt wieder ins "Tun" zu kommen. Ich wusste einfach nicht, dass bei mir das "Nichtstun" zur Folge hatte, immer tiefer in den Abgrund zu rutschen und dann darin lange Zeit gefangen zu sein.
Erst mit den Jahren kam die Einsicht, dass ich mich, gerade beim Anlaufen einer Depression, nicht der Depression verschreiben darf. Genauso wenig, wie es mir gut tut, trotz Depressions-Anzeichen, so dagegen anzukämpfen, bis die Batterie völlig leer ist. 2-3 Bett-Couch-Tage, dann eine Unterbrechung mit Duschen, frische Klamotten und raus, auch wenn ggf. danach wieder 2 Bett-Couch-Tage folgen sollten, helfen mir, einen Umgang mit der Depression zu bekommen.
Danach wieder Struktur, kleine Tätigkeiten, die irgendwie noch gehen, helfen mir meinen Selbstwert nicht ganz zu verlieren.
In meiner Arbeit erlebe ich es durchaus, dass Menschen in einer langwierigen Depression, durchaus auch bei mir starke Energien ziehen können, gerade wenn sie häufig Klagen und "Jammern". Jammern ist sicherlich zunächst verständlich und auch okay, solange jemand nicht darin stecken bleibt. Denn das beobachte ich auch, wenn jemand lang und breit und oft, jeden sein Leid klagt, dem geht es deshalb nicht besser.
Es ist für mich etwas anderes, wenn jemand mal sich etwas von der Seele reden kann, auch mit Tränen und danach sich etwas erleichtert fühlt, wenn die Person das Gefühl hat, verstanden worden zu sein, so ähnlich wie geteiltes Leid ist halbes Leid. Aber ich konnte bisher nicht erleben, dass "Dauerklagen" jemanden wirklich geholfen hat und die Person einen Schritt nach vorne gebracht hatte. Im Gegenteil habe ich das Gefühl, dass sich das gefühlte "Leid" nur verfestigte.
Ich weiß noch, bei meinen früheren Depressionen, dass ich manchmal darum bat, über alles mögliche andere zu reden, aber nicht darüber, wie es mir geht.
Viele Grüße Heike
PS: Ups, fast Thema verfehlt, sorry, habe Angehörige nicht drin. Will sagen, obwohl nicht jede Depression gleich ist und jeder Mensch anders ist, glaube ich, dass weder zuviel Rücksicht, noch zuviel Druck hilfreich sind. Irgendwo dazwischen, eher Angebote machen, fragen, ob es möglich ist, vielleicht den Müll rauszutragen, ohne zu erwarten, dass das auch an dem Tag passiert.
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.02.24 19:24.