Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

14. 12. 2020 21:34
Ich mag ja berechtigte Kritik, aber ich finde vor allem das genannte Kommentar 0 konstruktiv. Er hat offensichtlich noch nicht mit einer manischen Person zusammengelebt und ist sehr wahrscheinlich auch nicht betroffen. Ein Klick auf das Profil ergibt: er ist Heilpraktiker, beschränkt auf das Gebiet Psychotherapie. Mag jetzt jeder für sich davon denken, was er will. Fakt ist womöglich auch, dass er noch nicht viele Bipolare behandelt hat. Könnte ja auch mal schreiben, wie oft er die schon erfolgreich behandelt hat. Es würden ihm Leute die Bude einrennen. ;) Es ist jedenfalls auch nicht selbstverständlich, dass Therapeuten Bipolare mal vor sich haben, bzw. wirklich wissen, dass eben nicht nur Depression oder Angst ist und so alt und erfahren sieht er jedenfalls nicht aus.

Ich empfinde die jetzigen Behandlungen auch nicht als Lösung, aber ich finde ja immer die Leute geil die andauernd ober-schlau Dinge anprangern ohne überhaupt auch nur kurz zu erwähnen wie denn eine Lösung sonst aussehen könnte oder wie man es besser machen könnte. Und dazu zählt jetzt nicht, dass keine Behandlung eine Lösung ist, denn wenn er ehrlich zu sich selbst wäre, dann soll er mal die Suizidrate bzw. Raten von Menschen die kein selbstbestimmtes Leben mehr führen können behandelt und unbehandelt ganz objektiv, ohne seine Meinung, wirklich genau recherchieren und nicht nur einen Autor dazu lesen. Sowas passt dann aber natürlich nicht in seinen Kommentar rein. Und er erwähnt doch tatsächlich "Langzeitstudien" die behaupten, dass unbehandelte Bipolare dann doch einen besseren Verlauf haben als behandelte. Gucken wir doch mal wie er das belegt: mit einer Studie die auf Schizophreniepatienten basiert - aha das schreit ja förmlich von Kompetenz des guten Lord Schadt, da es doch überhaupt keinen Unterschied zwischen Schizophrenie und bipolarer Störung gibt ...

Dann widerspricht er sich auch noch selbst, ohne, dass ich jetzt ein Lithium-Fan bin oder so.
Aussage: Wir wissen nicht, ob Lithium anti-suizidal wirkt, laut Meinung einer Expertin. Aber natürlich wissen wir, sind die NW X, Y, Z. Was aber nun hier mal eine wichtige Aussage wäre, die ihm natürlich nicht in den Kram passt: Wir wissen auch nicht, ob NW X,Y, Z bei Patient A und B überhaupt auftritt. Wir wissen nur, dass es eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass NW auftreten. Und genau das ist mindestens eben auch auch bei der anti-suizidalität von Lithium der Fall ....
Für mich macht dieser kleine, aber feine Unterschied seinen ganzen Absatz total unbrauchbar.

Wohl bemerkt schreibe ich das aus der Perspektive als einer, der erst unter Antidepressiva manisch wurde, was mich Anfangs auch ziemlich angek*tzt hatte. Aber wieder und mal ehrlich: Wenn ich mir rückblickend die Situation genau ansehe, habe ich mich gefragt: was wäre denn eine gute Lösung gewesen? Ich weiß es bis heute nicht und ich bin mir sicher, dass der Typ es auch nicht weiß. Ich hatte sehr gelitten, hatte Therapie und noch vieles anderes versucht bevor ich überhaupt Medikamente genommen hatte, was mir sowieso schon ziemlich schwer fiel - es war einfach last resort. Was wäre mir damals anderes übrig geblieben, hatte ich überlegt. Ich hatte quasi alles unternommen um die Medikamenteneinnahme zu vermeiden, wusste um vorbelastete Familie und was mir blühen könnte, Drogen vermieden etc. pp. Habe bei ersten Beschwerden selbst sämtliche halbwegs erforschte Dinge ausprobiert, ohne Erfolg, dann direkt in Therapie begeben, ohne wirklich durchschlagenden Erfolg. Und als ich dann viel später glaubte die ultimative Lösung gefunden zu haben (nein es war kein Medikament, aber ich nahm zu der Zeit eins) war es einfach die erste krasse Manie.

Meiner Meinung nach hat man bei Bipolarität einfach die Anfälligkeit, ob man es denn jetzt wahr haben will oder nicht. Ob und wann es zum Ausbruch kommt, hängt stark von den Lebensumständen und Ereignissen ab. Und was definitiv nicht hilft ist: einfach ignorieren und gar nichts dagegen, bzw. für eine gesunde Psyche tun. Je früher man nun wirklich weiß, dass man betroffen ist, desto besser ist es und selbst dann kann es ein sehr schwerer, langer Weg zum selbstbestimmten, normalen und halbwegs unbeschwerten Leben werden. Das ist für mich das Einzige, was wir nun wirklich wissen ...
Übrigens nicht so optimistisch wie es im Link beschrieben wird - es ist nun eben kein Leichtes für Ärzte die Krankheit zu behandeln, auch wenn es auf einige, nicht wenige glückliche Patienten zutrifft. Die Mehrheit wird dennoch auch mit Medikamenten früher oder später Probleme mit NW oder zu geringer Wirksamkeit haben.
Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass Medikamente überhaupt nicht eingesetzt werden sollten, so wie der selbsternannte Experte es hier sieht.

Gruß,
roobb
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Bipolare Störung und Arbeitsleben

Statler 1441 11. 12. 2020 11:03

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

roobb 369 14. 12. 2020 21:34

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

Milla 349 15. 12. 2020 07:55

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

Turicum 360 15. 12. 2020 11:40

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

kinswoman 221 15. 12. 2020 12:03

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

Friday 288 15. 12. 2020 13:45

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

Milla 206 15. 12. 2020 14:18

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Statler 268 15. 12. 2020 17:46

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roobb 259 19. 12. 2020 20:57

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Memoiren eines Bipolaren 270 20. 12. 2020 08:05

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

Frankkk 359 20. 12. 2020 19:42

Re: Bipolare Störung und Arbeitsleben

ÖsiRene 445 21. 12. 2020 04:44



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