tschitta, das ist ein höchst interessantes Thema und ganz sicher muss man die Begriffe, mit denen hier gearbeitet wird, richtig lesen. Auslösende Faktoren sind hier doch eben mittelbar zu betrachten, d.h. z.B. Missbrauch als Auslöser von Stress (direkt) und der Stress als Auslöser von Veränderungen im Hormonhaushalt und der Genexpression (direkt) und diese als Auslöser von Krankheitsgeschehen (direkt) = Missbrauch INDIREKT als Auslöser von Krankheit.
Ich habe mich mit der Frage nach genetischen / epigenetischen und anderen Auslösern zum ersten Mal intensiv beschäftigt, als es um meine eigene, chronische Doppel-Autoimmun-Erkrankung ging. Auch hier ist kein einzelnes Gen oder eine klar eingrenzbare Gruppe von Genen bekannt, jedoch auf jeden Fall der Zusammenhang mit Stress und auch Forschungen in Richtung Mikrobiom / generalisierter / chronischer Entzündung als Folge oder Ursache der Krankheit gibt es.
Auch kenne ich die Studie aus Holland, wobei es meines Wissens nicht um Hungersnot, sondern um die Gesamtsituation der deutschen Invasion im zweiten Weltkrieg ging? Oder ist das noch eine andere Studie, auf die du dich beziehst?
Ich glaube, vielen ist nicht klar, das Genetik in vielen Fällen nicht Vorherbestimmung bedeutet wie bei der Augenfarbe. Die Epigenetik ist ja noch keine so lange etablierte Wissenschaft soweit ich weiß. Viele stellen sich Gene als feststehende Faktoren vor, die dann eben dies oder das bewirken, fertig. Aber so ist es eben nicht. Genexpression, intrazelluläre Rezeptoren, das sind VORGÄNGE, die akut oder chronisch verändert sein können. Und wenn man in Betracht zieht, dass das riesige und komplexe Geflecht aus Wechselwirkungen zwischen Botenstoffen, Hormonen, internen und externen Reizen nicht annähernd verstanden ist, dann muss man natürlich sagen, ja, externe Faktoren als Auslöser insbesondere genetisch prädispositionierter Krankheiten gibt es - meine Meinung.
Ich habe mal irgendwo den Satz eines Endokrinologen gelesen: "Wenn das Hormonsystem des Menschen einmal vollständig verstanden sein wird, wird es keine Psychiater mehr geben" Das mag jetzt überspitzt formuliert sein, greift aber meiner Meinung nach an der entscheidenden Stelle ein: Dem Zusammenspiel von internen und externen Faktoren, von stofflichen/körperlichen und emotionalen/emotional erlebten Komponenten.
"Das ist alles stressbedingt" ist so eine saloppe Formulierung, die man immer wieder hört... Wie viel Wahrheit verbirgt sich dahinter noch, auf ganz komplexer, auch stofflicher, zellulärer Ebene? Das ist ein spannendes Feld, das hoffentlich einmal dazu beitragen wird, viel krankheitsbedingtes Leid zu lindern. Wie lange ist es her, dass psychische Krankheiten in ihrer körperlichen Dimension überhaupt erfasst wurden und hat das nicht schon viel dazu beigetragen, ein wenig von dem Stigma zu nehmen? In meinem Krankheitsfall ist leider noch weniger bekannt, wie sehr die Hormonstörungen / Stoffwechselstörungen das Verhalten beeinflussen bzw. es wird nicht ernst genommen - ich habe ewig gebraucht um zu verstehen, dass meine Angst nicht nur von den schlechten Hormonwerten, sondern auch von den hohen Antikörperwerten mit-beeinflusst wird... bewiesen ist es nicht, aber jahrelange Beobachtung lassen mich auch meine Schlüsse ziehen. Allein, die Wissenschaft braucht länger, um zu eindeutigen Aussagen zu kommen und sie werden immer nur isolierte Zusammenhänge nachweisen können - bis sich daraus ein Verständnis der Wechselwirkungen entwickelt dauert es eben nochmal länger. Nichtsdestotrotz: Es lohnt sich!