Hallo,
das Problem in der Gesellschaft schlecht hin ist, dass immer mehr in Diskussionen die Schwarz-Weiß-Denken oder Gut und Böse Mentalität vorherrscht. Eine differenzierte Betrachtungsweise ohne gleich das Eine zu verteufeln oder das Andere in den Himmel zu loben ist in vielen Fällen besser und kommt der Realität näher, als nur Denkweisen oder Menschen in bestimmte Schubladen einzusortieren.
Es gibt auch sehr fundamentale AktivistInnen der Antipsychiatrie und mit denen wird dieser Bereich auch gleich gesetzt. Anti- ist nun mal ein gegen etwas sein und hier gegen die Psychiatrie. Allerdings müsste man sich fragen, ob es eher so ist das die meisten gegen
diese Psychiatrie, so wie wir sie zur Zeit noch vorfinden, sind.
Sowohl die Gegner der Psychiatrie, wie auch die Gegner der Antipsychiatrie verteufeln sehr häufig die jewels andere Gedankenwelt. Das ist in meinen Augen beides nicht richtig.
Bedenklich finde ich aber, dass wenn jemand einfach nur etwas kritisch hinterfragt oder einfach auch mal einen anderen Weg geht, dieser gleich in die Antipsychiatrie-Ecke gestellt wird. Genauso aber auch, wenn jemand gute Erfahrungen mit Medikamenten gemacht hat, hier auch schon zu lesen war, ob dieser evtl. Geld von den Pharmas bekommt. Beides ist mumpitz.
Da ich nun seit über 3 Jahren im psychiatrischen System arbeite, kann ich sagen, dass Gedanken, wie auch kritische Fragen aus der früheren Antipsychiatrie-Ecke schon seit längerer Zeit unter den Professionellen breit diskutiert wird. Und nicht nur das, einige Kliniken versuchen ihre Konzepte umzustellen und entlehnen sich viele wichtige Dinge aus dem Soteria-Bereich bis hin gar tatsächlich Stationen komplett auf Soteria umzustellen.
Immer mehr spielt Selbstbestimmtheit in der Behandlung eine wichtige Rolle und immer mehr wird auch über alternative Wege gesprochen. Schon alleine dadurch, dass immer stärker versucht wird, die Behandlung im ambulanten Setting zu vollziehen, dadurch, das psychiatrische Nachwuchskräfte fehlen und dadurch dass auch die Gelder nicht mehr so zur Verfügung stehen, sieht man ein, dass man nach neuen Wegen suchen muss.
Sich die Hände vor die Augen halten und zu glauben, dann wäre es nicht da, heißt den Blick vor der Realität zu versperren. Das wo hier noch immer so beharrlich drum gekämpft wird, über eine eher bevormundende und partnernalistische Haltung, ist in der Realität so nicht mehr zu halten. Auch wenn das Umdenken noch recht zögerlich geschieht, so ist aber doch ein Trend zu erkennen, der die bisherigen Psychiatrie-Haltung und Behandlung kritisch betrachtet auch und im Besonderen von denen, die in diesem Bereich arbeiten, denn die sehen die Folgen.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.07.17 22:08.