Re: Angehörige - erwachsene Kinder

13. 01. 2017 09:48
Hallo tangere,

ich bin die erwachsene Tochter eines bipolaren Vaters, und seit 2006 selbst an einer bipolaren Störung erkrankt. Dass mein Vater krank ist, wurde mir erst in meinem 21. Lbj. mitgeteilt, als ich schon auf der Uni war. Vorher war er launisch, jähzornig, müde, antriebslos etc. Dass er schon in seinen frühen Zwanzigern lange in der Psychiatrie war, habe ich erst damals erfahren. Und trotz der manifesten Erkrankung ging das Versteckspiel weiter: so ließ er sich z.B. nur in psychosomatischen Kliniken behandeln (die ja von akuten bipolaren Phasen nur wenig Ahnung haben) um dem Makel der Psychiatrien zu entgehen. Er war aber wohl auch von den früheren Psychiatrie-Aufenthalten traumatisiert. Was da war - natürlich keine Ahnung. Alles, was ich von damals weiß, habe ich aus alten Arztbriefen, nicht von ihm oder meiner Mutter. Die offizielle Version war immer "er hat was mit dem Herzen".

Mein Vater war dann lange Zeit Drehtür-Patient bis ihn ein ambulanter Psychiater endlich gut eingestellt hat. Auch danach war aber kein Gespräch über die Erkrankung möglich. Auch er geriet in die Phasen, "weil ich ihn aufgeregt habe". Das war immer dann der Fall, wenn ich meine eigenen Vorstellungen durchsetzen wollte / durchgesetzt habe. Dann war ich "schuld" (und das wurde auch so gesagt), dass es Papa wieder schlecht geht und er in die Klinik muss.

Als ich selbst erkrankt bin, habe ich mich von diesem dysfunktionalen Familiensystem distanziert und bin seitdem stabiler als jemals zuvor in meinem Leben. Meine Eltern machen so weiter wie bisher, noch immer ist kein Gespräch über die "unaussprechliche Krankheit" möglich.

Vielleicht wäre ich nicht erkrankt, wenn meine Eltern anders mit der Bipolarität umgegangen wären. Wenn ich als Jugendliche das Gefühl gehabt hätte, ich kann mich an sie wenden, weil ich wegen meiner starken Stimmungsschwankungen Hilfe brauche. Konnte ich aber nicht. Ich konnte mir erst selbst Hilfe holen, als ich weit genug weg war.

Es tut mir leid, dass auch ich dir kein Beispiel für einen guten familiären Umgang mit der Bipolarität geben kann. Ich würde aber schon denken, dass sich in den letzten Jahren durch den beginnend besseren Umgang mit psychischen Krankheiten etwas verändert hat.
Ich würde mir wünschen, dass du noch positivere Antworten erhältst,

viele Grüße
Frau Phineas

"Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende".
Oscar Wilde
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Angehörige - erwachsene Kinder

tangere 1142 10. 01. 2017 12:16

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

Nil 565 10. 01. 2017 21:26

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

tangere 433 12. 01. 2017 18:35

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

kinswoman 536 12. 01. 2017 19:42

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

Frau Phineas 1082 13. 01. 2017 09:48

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

tangere 464 13. 01. 2017 16:20

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

kinswoman 429 13. 01. 2017 17:06

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

Frau Phineas 717 14. 01. 2017 08:18

Re: Angehörige - erwachsene Kinder

Zaziel 495 15. 01. 2017 17:47



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