Ich bin seit 3 Monaten in der Reha-Maßnahme, und kann einen ersten Bericht abgeben.
Der formelle Begriff für die medizinisch-berufliche Reha ist "
RPK-Maßnahme" (Rehabilitation psychisch Kranke). Der Begriff ist an sich stigmatisierend und nicht mehr zeitgemäß, wurde aber bisher nicht angepasst. In meiner Einrichtung wird von "psychisch gesundende Menschen" gesprochen.
Ich habe durch Gespräche mit der Einrichtungsleitung erfahren, dass es große Unterschiede zwischen den einzelnen RPK-Einrichtungen gibt. Je nach Einrichtung wird mehr oder weniger individuell mit den Teilnehmer:innen gearbeitet. Ich habe das große Glück, dass meine Einrichtung sehr auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse schaut. Jeder Teilnehmer bekommt einen Bezugsperson, mit dem man ca. 1-mal die Woche trifft. Die Bezugspersonen sind entweder Sozialarbeiter, Ergotherapeuten oder Psychologen. Mein Bezugsperson ist Ergotherapeutin. Ich fühle mich sehr gut betreut!
Kern der Maßnahme sind die Praktika, die sowohl auf dem ersten Arbeitsmarkt als auch in geschützten Räumen (z.B. Ergotherapie Praxen) stattfinden können.
Die erste Phase der Reha ist der medizinische Teil, der maximal 12 Monate dauern darf. In dieser ersten Phase geht es nicht um Arbeitsleistung, sondern um herauszufinden, unter welchen Bedingungen man gesund arbeiten kann. Es wird vorausgesetzt, dass eine Arbeitszeit von 4h/Tag möglich ist. Es wird in dieser Phase empfohlen, etwas Fachfremdes auszusuchen. In dieser Phase befinde ich mich. Später kommt der berufliche Teil, der ebenfalls bis zu 12 Monate dauern kann. Dort wird mehr nach Arbeitsleistung und passenden Stellen für eine evtl. Übernahme geschaut.
Ein großer Vorteil der Maßnahme ist, dass die Kosten des Praktikums (also mein Lebensunterhalt) vom Kostenträger übernommen werden. In meinem Fall ist der Kostenträger die Rentenversicherung.
Die Teilnehmer:innen sollen möglichst selbstständig ihre Bewerbungsunterlagen zusammenstellen und Vorstellungsgespräche organisieren. Unterstützung durch eine Fachkraft für den Arbeitsmarkt bzw. durch den Bezugsperson ist gegeben. Bei der Suche nach einem Praktikum habe ich mein Bezugsperson gesagt, dass ich mich grundsätzlich für die Themen "Integration" und "Bildung" interessiere. Daraufhin bekam ich aus der Datenbank fünf Adressen von bekannten Praktikumsbetrieben.
Ich habe einen technischen Beruf und habe viele Jahre für Technologieunternehmen gearbeitet. Aus den fünf Adressen habe ich zwei ausgesucht, um mich zu bewerben. Ein Forschungsinstitut im medizinischen Bereich und eine soziale Einrichtung. Ich habe mich bei beiden beworben und wurde in beiden Fällen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Es war ein tolles Gefühl, wieder in einem Vorstellungsgespräch zu sein. Nach über zwei Jahre Arbeitsunfähigkeit und vielen Klinikaufenthalten saß ich wieder in einer Besprechungsraum und redete mit "normalen" Menschen, die ganz normal arbeiten. Dadurch, dass für den Betrieb keine Kosten (außer der Betreuung) entstehen, hat man wenig Druck. Für mich geht es darum, im Arbeitskontext wieder reinzukommen, und für den Betrieb heißt es, eine kostenlose Arbeitskraft zu bekommen die evtl. den Betrieb unterstützen kann. Im Allgemeinen eine win-win Situation.
Bei beiden Bewerbungen habe ich eine Zusage erhalten. Ich hatte so die Qual der Wahl und habe mich für die soziale Einrichtung entschieden. Ich vereinbarte eine Dauer von 3 Monate mit 4h/Tag, 5 Tage die Woche
Ich bin seit 2 Monaten nun im Praktikum. Ich fühle mich sehr wohl im Betrieb und habe tolle Kolleg:innen. Es tut mir gut, täglich zur Arbeit zu fahren. Im Praktikumsbetrieb habe ich keinen Druck. Ich erfahre aber sehr viel Dankbarkeit für das, was ich mache. Ich kann wirklich einen Beitrag leisten. Das macht mich glücklich und ein bisschen stolz. Ich spüre, wie mein Selbstwert dabei gestärkt wird. Mit 4h/Tag habe ich genug Zeit für Familie, Haushalt, Freunde und sonstige Termine
Letzte Woche habe ich mich entschieden, mein Praktikum um eine weitere 3 Monate im gleichen Betrieb zu verlängern und ab Dezember in eine andere Abteilung zu wechseln. Ich werde auch meine Arbeitszeit auf 5 h/Tag erhöhen und schauen, wie das läuft. Die Reha ist flexibel. Sowohl die Dauer des Praktikums als auch die Arbeitszeiten können jederzeit angepasst werden.
Ich habe in 3 Monaten einen großen Schritt gemacht. Ich weiß es nicht, wie oder ob ich arbeiten werde. Ich habe auf jeden Fall Zuversicht, dass Arbeit in Zukunft ein Teil meines Lebens sein wird. Die Zuversicht hatte ich vor einem halben Jahr nicht.
Weitere Berichte folgen ...
Liebe Grüße,
midway
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Männlich geb. 1970 Diagnose 2004
Lithium 900mg
Lamotrigin 200mg
Sertralin 100mg
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This is your road.
Only you
will take it. And there's no
turning back.
-Olav H. Hauge
