Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

23. 09. 2008 18:28
Okay, bei meiner Mutter ist nachvollziehbar, dass sie wieder Medikamente nehmen müsste. Ihr Zustand hat sich innerhalb von 14 Tagen rapide verschlechtert. Sie hat uns alle eingeladen und war sehr kratzbürstig, hat uns wie in der Schule angeschnauzt, wenn nicht alles schwieg wenn einer sprach. Und sie glaubte, durch geschlossene Fenster könnten die Nachbarn mit hören, wenn wir etwas lauter wurden. Einmal schlug sie auf den Tisch, dass die Tassen und Teller klirrten. Mein Mann war entsetzt, ich war auch alarmiert, und nicht einmal die süßen kleinen Belonka-Hunde von meiner Schwester durften in die Wohnung. Sie hätten im Hausflur bleiben müssen, aber meine Schwester hat sie nach Hause gebracht. Mein Mann und ich waren sehr traurig darüber. Ihre Ausreden haben wir auch nicht verstanden, meine Schwester war auch besorgt, das habe ich ihr angesehen.

Nun aber zum eigentlichen Thema (dass meine Mutter psychisch krank ist, merkt man ja, sie hat selbst erzählt, sie isst nicht regelmäßig und schläft wohl auch nicht mehr): Aus eigener Erfahrung mit Manien und Depressionen kam es mir am Arbeitsplatz und im Freundeskreis oft so vor, als müsste ich Tabletten nehmen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen, und nicht so, wie ich bin. Früher hatte ich so ein rezidivierendes Verhalten an den Tag gelegt, mit Kleinmädchenstimme gesprochen, und Filme von früher angesehen - ich war geschockt. Da erkannte ich nämlich, dass ich verhaltensgestört war.

Aber das war ich nicht immer. Manchmal hatte ich prima Zeiten, schöne Urlaube, Ausgehen in Discos usw., schaffte meine Arbeit mit links, und hin und wieder schleppte sich so ein Arbeitstag endlos hin und hinterher wollte ich nur noch mit Chips vor den Fernseher, ging nicht ans Telefon und machte auch die Tür nicht auf, wenn am Wochenende meine Mutter klingelte. Da tat ich oft, als sei ich weg.

Die Zeiten, in denen ich präsuizidal war und meinem Mann gegenüber entsprechende Bemerkungen machte wie: "Na ich weiß nicht ob ich dann noch lebe...", sagte er meistens: "Oh, du müsstest mal Johanniskraut oder irgendwas nehmen", und in Manien wo ich die Wohnung auf den Kopf stellte, um sauber zu machen, kam die Nachbarin rüber und meinte, ich müsse zum Arzt usw., oder wenn der Arbeitgeber meinte, ich müsse zum Arzt, und die Kollegin: "Man muss nur wollen" und solche Sachen, ich erinnere mich an das letzte Mal, da habe ich trotz AD heulend am Steuer gesessen, weil das Navi seinen Geist aufgab, und mein Mann meinte, ich sei depressiv.

Aber immer wenn ich in so ner Klapse war, dachte ich, die Dinger nehme ich jetzt, um gesellschaftsfähig zu werden oder zu bleiben. Um "pflegeleicht" zu sein, nehme ich jetzt die richtigen Medis. Immer öfter frage ich mich aber: "Bin ich das denn noch?" Oder sind das die Medikamente? Wie wäre ich denn "ohne"? Nicht mehr "gesellschaftsfähig", oder nicht mehr "pflegeleicht", mit Hochs und Tiefs, mit Blödsinn machen bis der Arzt kommt.... Ja, die Frage ist, wann kommt er. Gleich wenn es los geht, oder gar nicht, wie bei meiner Mutter? Sie hat noch eine Betreuerin, aber wann lässt die sich mal blicken, und kann sie meine Mutter davon überzeugen, die Tabletten wieder zu nehmen?

Klar nehme ich die Medis, um mich besser zu fühlen, keine Depris mehr zu kriegen und keine Psychosen. Aber die Hypomanien fehlen mir. Einmal ging es mir so richtig gut, da meinte der Psyc doch gleich, ich wäre hypo. Man freut sich sonst, wenn es einem gut geht, und dann das. Man ist ein bisschen abgeschirmt von Umwelteinflüssen, das ist auch der Zweck. Bloß geht es nur darum, dass wir selber uns wohler fühlen? Oder geht es nicht auch darum, die Gesellschaft vor manischen Ausrastern zu schützen? Sind wir so, weil wir uns dafür entschieden haben, oder weil die Umwelt uns so haben will?

Wir passen doch nicht ins Raster. Im Schubladendenken der Stinos sind wir ganz unten drin. Zwar sind wir im Bilde, können aber dennoch leicht aus dem Rahmen fallen. Ist das unser Schicksal, schlucken wir Chemie, um in die (eigentlich genauso kranke) Gesellschaft zu passen? Warum müssen wir so sein, wie andere uns haben wollen? Weshalb landen wir im Krankenhaus, während andere Bildhauer, Schriftsteller, Piloten oder Ärzte werden? Sind wir wirklich "gesund", wenn wir die Dinger nehmen? Die haben doch auch massig Nebenwirkungen. Sind denn die anderen alle so "gesund", uns weismachen zu können, dass wir es nicht sind?

Das geht mir durch den Kopf - außer Lithium und Seroquel.

Liebe Grüße
Sabine

w., Anfang 40, verheiratet, kinderlos, bipolar I, Hypothyreose, Insulinresistenz, hohe Leberwerte, derzeit 1 Tabl. Quilonum Retard u. 250 mg Seroquel
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Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

bRetthupferl 732 23. 09. 2008 18:28

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

Drachenreiterin 292 23. 09. 2008 18:58

Hmmm...

BiPolarBär X 252 23. 09. 2008 19:27

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

schwester t 262 23. 09. 2008 20:12

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

flop 280 23. 09. 2008 20:48

@flop

BiPolarBär X 253 23. 09. 2008 20:50

Re: @flop

flop 266 23. 09. 2008 20:54

Also ganz einfach gesagt....

eierstich 471 23. 09. 2008 20:57

Re: Also ganz einfach gesagt....

Bonny und Frieda 338 23. 09. 2008 23:55

Re: Also ganz einfach gesagt....

browny 309 24. 09. 2008 11:08

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

positives-denken 309 24. 09. 2008 00:00

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

strawberryjacket 619 24. 09. 2008 00:18

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

Linda 272 24. 09. 2008 08:19

Chemische Stoffe bekämpfen das Symptom, nicht die Ursachen!

Linda 421 24. 09. 2008 09:00

Re: Chemische Stoffe bekämpfen das Symptom, nicht die Ursachen!

flop 275 24. 09. 2008 17:54

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

VooWambou 280 24. 09. 2008 09:12

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

Linda 495 24. 09. 2008 10:37

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

psycho9 294 24. 09. 2008 10:50

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

psycho9 312 24. 09. 2008 11:01

Das ist....

BiPolarBär X 459 24. 09. 2008 12:50

Weil die Medizin lecker schmeckt ...

plusminus 464 29. 09. 2008 15:03

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

pumuckl 29 344 24. 09. 2008 10:23

Hallo pumuckl

Georg011305 297 29. 09. 2008 19:17

Depressiv gefärbt

Lichtblick 618 24. 09. 2008 22:10

Re: Depressiv gefärbt

Robyn 383 24. 09. 2008 23:14

An Robyn

Lichtblick 439 27. 09. 2008 23:20

Es gibt genug Bipos.....

BiPolarBär X 332 29. 09. 2008 18:07

Re: Es gibt genug Bipos.....

Lichtblick 298 29. 09. 2008 18:17

Hmmm.....

BiPolarBär X 499 29. 09. 2008 20:12

Re: Hmmm.....

Lichtblick 364 29. 09. 2008 21:24

Einige der grössten Kunstwerke......

BiPolarBär X 385 29. 09. 2008 21:38

Re: An Robyn

Robyn 272 30. 09. 2008 00:18

Hallo Cornelia...

Georg011305 449 29. 09. 2008 19:23

Naja......

BiPolarBär X 311 29. 09. 2008 20:15

Re: Depressiv gefärbt

bRetthupferl 365 02. 10. 2008 19:31

Re: Depressiv gefärbt

Lichtblick 451 02. 10. 2008 21:48

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

Mexx55 445 29. 09. 2008 21:04

Re: Nehmen wir Medis, um "pflegeleicht" zu sein oder in die Gesellschaft zu passen?

blondew 424 30. 09. 2008 19:28



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