Hat auch lange gebraucht, bis ich Experte in eigener Sache geworden bin! Es galt viel zu lernen, vor allem über mich und das Leben und die Bipolare Störung!
Auch wenn ich zur Zeit alleine lebe, ich hatte viele liebe Menschen in meinem Umfeld, die mir sehr viel Liebe und Verständnis entgegengebracht haben. Frühere Lebensgefährten, Freunde, Arbeitskollegen und vor allem meine Eltern und meine Geschwister wertschätzen mich als Mensch und nicht als Geistig Behinderten oder ähnliches und in einem stimme ich dir hundertprozentig zu. Vertrauen ist für mich das allerwichstigste.
Selbstvertrauen aber auch das Vertrauen meines Umfelds und meines Docs! Das ist im Laufe der Jahre gewachsen! Ich bin ehrlich! So ne drastischen Absetzgeschichten wie du sie mit dem Trevilor durchziehst, hab ich nie unternommen. Ich bin in Laufe der Jahre mit meinem Doc zu nem super Team zusammengewachsen. Ich kann mit ihm auf Augenhöhe das weitere Vorgehen besprechen, zumindest solange ich nicht mega depressiv war und in sofern werd ich auch keine Alleingänge praktizieren! Er hat in der Vergangenheit auch schon bei Gradwanderungen darauf verzichtet Neuroleptika einzusetzen, wenn er nach unserem Gespräch den Eindruck hatte, daß meine nichtmedikamentösen Mechanismen reichen, um erfolgreich eine Manie zu verhindern! Mit Erfolg! Das nenn ich dann auch "Gegenseitiges Vertrauen" und das ist natürlich nur möglich, wenn man langfristig bei einem Arzt in Behandlung ist! Die jenigen die Ärztehopping aus welchen Gründen auch immer betreiben oder betreiben müssen, können auf soches Vertrauen bei einem Arzt nicht hoffen, denn wie soll ein mir fremder Arzt wissen, wie ich mitlerweile mit auftretenden Symptomen in der Lage bin umzugehen. Er würde mir immer die Chemiekeule verpassen!
Natürlich ist es bei mir trotz allem nicht optimal gelaufen, aber was war, kann ich eh nicht ändern aber was zur Zeit ist, darauf hab ich Einfluß. Es gab lange Zeiten da lief es beschissen und manches mal haben mich auch die Kräfte verlassen wenn trotz Medikamenten immer noch keine Ruhe einkehrte. Aber Medikamente alleine bringens eben auch nicht ! Zeitweilig konnte ich Symptome und Nebenwirkungen nicht mehr voneinander unterscheiden und in diesen Zustand und in den Zustand wo ich nicht mehr mit meinen Gefühlen verbunden bin,
will ich nie wieder kommen! Eins hab ich vor 15 Jahren schon kapiert! Niemand kann mich zwingen, diese Medikamente zu nehmen und niemand kann mich zwingen zum Arzt zu gehen. Es liegt bei mir die Verantwortung für mich und meine Gesundheit zu übernehmen. Das war schon mal die erste wichtige Erkenntnis! Gleichzeitig bekam ich sehr schnell mit, das Manien und Depressionen nicht gleich ner Grippe zu behandeln sind!
In den ersten 6 Jahren als ich noch voll berufstätig war wollte ich natürlich auch nach jedem Schub immer wieder möglichst schnell funktionieren! Zeitweilig bin ich in Akutphasen arbeiten gegangen, aus Angst, meinen Job zu verlieren aber auch diesen Kampf hab ich verloren! Erst nach meiner Pensionierung bin ich erstmals in ner Klinik gelandet und das war auch gut so!
Ich bin so ein Exot, der innerhalb der schlimmsten depressiven Phase und all den langen manisch-psychotischen Phasen in den ersten Jahren ambulant medikamentös behandelt wurde. Die Betreuung erfolgte durch Freunde, Partner und Eltern! Mit dem heutigem Wissen und meinen beiden Klinikerfahrungen würde ich im Falle solch intensiver Schübe immer wieder in die Klinik meiner Wahl gehen um meinen Angehörigen die Last zu ersparen. Heute sind wir alle schlauer! Meine Angehörigen und Freunde haben mich zuhause betreut, um mir die Psychiatrie zu ersparen. Sie haben es nur gut gemeint und mit viel Liebe , Ruhe und Geduld das "Unmögliche" möglich gemacht, nicht mit Zwang!
Das Leben, das ich heute führe hat nicht mehr viel mit dem zu tun, was ich noch vor 20 Jahren geführt hab. Ich bin nicht mehr der Hans Dampf in allen Gassen und nachdem ich zwischenzeitlich auch schon mal an dem Punkt war keinen Sinn mehr zu sehen, da kaum noch was von dem zu erkennen war, was meine Persönlichkeit eigentlich ausmacht, hab ich mich wiedergefunden. Die Persönlichkeit ist noch vorhanden!
Endlich fühle ich mich wieder lebendig, mit meinen Gefühlen verbunden und das verdanke ich zuletzt nicht auch der Tatsache, daß ich mir noch mal bewußt gemacht habe, daß es bei mir liegt, mein Leben nach meinen Vorstellungen und Möglichkeiten zu gestalten. Ich betrachte die Bipolarität nicht als meinen Feind und es liegt an mir dafür zu sorgen, das es mir auch weiterhin gut geht! Den derzeitigen Zustand hatte ich all die 15 Jahre nicht ein einziges mal erreicht. Bei meinem letzten Besuch bei meinem Doc beantwortete ich seine Frage, wie es mir denn geht mit den Worten:
Wenn ich nicht wüßte, das ich ne Bipolare Störung habe, würde ich sagen das ich wieder gesund bin und so fühle ich mich auch!
Das Forum hab ich auch erst vor wenigen Monaten durch Zufall entdeckt und durch Schreiben kann man wunderbar Dinge sortieren und für sich klären! Ansonsten hab ich all die Jahre lediglich intensives Selbststudium betrieben und mich natürlich auch selbstkritisch mit mir und meinem Leben auseinandergesetzt. Psychotherapie hatte ich nicht wirklich genausowenig wie Psychoedukation und was es sonst noch so alles gibt.
Hab trotzdem meinen Weg gemacht und werd ihn weiter gehen. Das gesamte Leben ist ein spannender Lernprozess und endlich lebe ich im hier und jetzt und das soll auch so bleiben!
Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen.
Franz Kafka
Liebe Grüße
und paß gut auf dich auf!
Siggi
w.ledig,42 Jahre, 2 Hunde
seit 18 Jahren bipolar I erfahren
seit 1999 aufgrund der Erkrankung pensioniert!
