Hallo ÖsiRene,
aufgrund deiner Aussage im anderen Baum:
Quote
ÖsiRene
...
weist Du ich erzähle seit langem jeder/m über meine Erkrankung und werde das sobald es die Situation zulässt auch in Schulen tun.
Nur wer unsere Krankheit kennt kann damit auch umgehen...
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www.bipolar-forum.de]
wollte ich dazu noch etwas anmerken.
Wenn man als GenesungsbegleiterIn eingeladen wird einen Vortrag zu halten, dann ist es durchaus richtig und legitim von seiner Geschichte, seinen Erfahrungen und Kenntnissen offen zu sprechen.
Allerdings lernten wir auch, dass es eine "Schlafzimmerversion" gibt, die eben jede Einzelheit beinhaltet, auch diejenigen, die man nicht so gern erzählt und wo es wichtig und legitim ist, sie auch weiterhin für sich zu behalten, um in Form der Selbstfürsorge sich zu schützen.
Dann gibt es noch die "Wohnzimmerversion", die zwar Wahrhaft und auch Offen ist, aber nicht so detailiert und auch abgestimmt auf die Zuhörerschafft. Denn auch dort habe ich eine Verantwortung darüber, was ich den Menschen zumuten kann und darf. Denn auch in der Zuhörerschafft sitzen Menschen, die selbstbetroffen sein können und ggf. überfordert werden könnten.
Hat man in Schulen eher einen Workshop-Charakter, dann ist es auch wieder ratsam, sie über ihre eigenen Kenntnisse, vielleicht auch Vorurteilen und Erfahrungen mit psychischen Krankheiten oder Problemen an das Thema heran zu führen, als dass man ihnen einfach die eigene Geschichte präsentiert. Man kann sie einflechten, als Opener benutzen, in nicht zu langen Einlassungen, aber eher über Fragen beantworten und sie dazu annimieren, selbst sich Wissen zu erarbeiten.
Geht es in seiner Arbeit aber nicht um Vorträge, sondern um die Menschen, die Hilfe suchen, dann steht im Vordergrund dieser Mensch und seine Geschichte, soweit dieser sie mitteilen mag. Hier werde ich meine Erfahrungen nur dort einsetzen, wo sie passen und hilfreich sein können, aber insgesammt möglichst zurückhaltend aggieren.
Ich habe schon Aussagen von KlientInnen über Genesungsbegleitungen mitbekommen, die davon berichteten, wie sie unvermittelst der Lebens- und Leidensgeschichte einer Genesungsbegleitung gegenüberstanden und völlig überfordert und hilflos waren. Das hat das Vertrauen eher geschädigt und sie hatten das Gefühl, sie müssten eher der Person helfen, als sie von der Genesungsbegleitung Hilfe erfahren könnten.
Also auch mit seiner Offenheit und seinen Erfahrungen muss man sehr Verantwortungsvoll umgehen können. Und das raushauen seiner Erfahrung macht noch keine Genesungsbegleitung oder Peerberatung aus.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 29.12.20 11:57.