Re: Prioritäten setzen

23. 06. 2018 11:00
Hallo dry,

ja, also das richtige Medikament hat mich erst auf ein Level gebracht, dass ich überhaupt Kraft hatte, Dinge zu verändern. Dazu gehört auch mich nicht in alles so übertrieben reinzuhängen. Ich habe am Anfang viele mittelmäßige Vorträge gehalten, erst langsam komme ich wieder auf mein altes Level.
Das falsche Medikament hat mich auf Dauer sogar behindert, weil ich nur noch schlafen wollte und total träge war.
Ich habe während meines 2. Studiumsversuchs dann daran gearbeitet, auch mit Mittelmaß zufrieden zu sein und muss sagen es hat gut geklappt. Psychotherapie und ein guter Therapeut waren da sehr hilfreich. Muss sagen man kann sich da echt auch darauf trainieren, mit weniger als den Höchstleistungen zufrieden zu sein. Zum Beispiel habe ich in meinem Studium oft sehr viele Dinge gleichzeitig und habe auch mal ne Prüfung mit 3 Tage lernen und der Note ausreichend bestanden.
Und konnte zufrieden sein,da ich die sehr schwere Prüfung nicht geschoben und gleich bestanden hatte. Ging einfach nicht anders, weil das ganze so konzipiert ist, dass man leider eh schon eine 60 Stunden Woche hat mit ständigen aufwendigen Abgaben und alle Prüfungen innerhalb von 1-2 Wochen schreibt. Und ich woltle in diesem Semester einfach mal nix schieben und mehr Ferien haben.

Als Belohnung hatte ich dann viel mehr Freizeit, weil ich keine Klausur zu einem Zweittermin schreiben musste. Aber generell schiebe ich eher meistens einen Teil, damit ich nicht alles gleichzeitig habe. Auch in der Arbeit habe ich die letzten Jahre meistens "nur" gute Leistungen und keine sehr guten abgeliefert aus meiner Sicht, aber das hat völlig gereicht.

Für mich ist das einer der Schlüssel zur Stabilität: Nicht mehr alles perfekt machen wollen, sondern Prioritäten setzen. Gerade da ich ein sehr zeitaufwendiges Fach studiere und einen Nebenjob habe muss ich meine Kräfte einteilen. Auch bei guter Zeiteinteilung komme ich leider auf mindestens eine 60 Stundenwoche unter dem Semester, das geht selbst den absoluten Cracks bei uns so.
Die einzige Methode wie ich dieses Arbeitspensum aushalte ist, dass ich nicht alles so wichtig nehme. Ich versuche das an Zeit reinzustecken, was ich habe und das muss halt dann reichen. Die Ergebnisse sind dann meist trotzdem gut, manchmal auch sehr gut, weil man mit der nötigen Ruhe Dinge auch eher Sachen hinkriegt als in Perfektionistenpanik.

Und Grenzen setzen. Ich stecke meine Grenzen ab und mache nicht mehr alles, um Leuten zu gefallen. Ich gucke mehr, ob ich jetzt Bock habe Sachen zu machen. Im Zweifel frage ich in der Arbeit auch mal, ob ich etwas verschieben kann oder ich nicht doch freibekommen kann und dafür wann anders kommen, wenn ich Stress habe. Ging meistens problemlos und hat mich sehr entlastet.


Ich war auch mehrmals schon ein halbes Jahr schludrig mit den Medikamenten, bin aber trotzdem stabil geblieben. Umgekehrt habe ich ich auch unter vorbildlichen Medikamenteneinnahme, angefangen mir selbst zu viel Druck zu machen und gemerkt wie ich instabil werde trotz Medikamente.

Tatsächlich glaube ich bei mir, dass mein Verhalten und meine erworben Resilienzstrategien einen größeren Einfluss haben als mein Medikament. Hatte aber nie Vollmanien, dafür Hypomanie/Mischphase und dann 2 Jahre schwerst depressiv. Danach musste ich mein ganzes Denkeln und Handeln umkrempeln und hatte zum Glück keine Phase mehr. Bin jetzt seit 6 Jahren stabil.

Ich glaube schon, dass ich die ersten 19 Jahre meines Lebens immer überall 120% gegeben habe, ob Schule, Hobby, Arbeit. Ich habe meinen ganzen Selbstwert aus der Außenbeurteilung gezogen, wollte mich unbedingt beweisen. Habe meine Kräfte nicht eingeteilt und notfalls am Schlaf eingespart, um allem gerecht zu werden. Im Prinzip habe ich mich selbst abgeschossen, so sehe ich das heute.

Heute habe ich oft eine richtige ist-mir-doch-scheiß-egal-Einstellung und bin viel stabiler. Ich lege mich auch mit Leuten an, die meine Grenzen nicht achten, das tut mir auch sehr gut! Ich kann mir heute gut Respekt verschaffen und lasse mir nicht mehr auf der Nase rumtanzen.

PS.: Und Schlaf, ich habe heute den Ruf einer richtigen Schlafmütze ;-)

LG
Tagtraum



4-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.06.18 11:12.
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dry 296 26. 06. 2018 15:44

Re: Bipolares Hirn = kaputtes Hirn - Symptombehandlung

tschitta 290 23. 06. 2018 08:11

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Tagtraum 345 23. 06. 2018 11:00

Re: Prioritäten setzen

dry 313 23. 06. 2018 14:09

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SilverPhoenix 482 23. 06. 2018 23:06

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YingYang303 549 26. 06. 2018 11:07

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Eisbaer 539 26. 06. 2018 16:57



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