Re: Schwierigkeiten/Verwirrung rund um Diagnose

17. 10. 2020 02:57
Willkommen Linde!

Also bei euch muss es doch in den Niederlanden auch Anlaufstellen dafür geben oder? Da würde ich anfangen und mir soviel Wissen über Bipolarität aneignen wie nur geht, sofern du einigermaßen aufnahmefähig bist und die Zeit hast. Ich habe keine Ahnung, was es in den Niederlanden für spezielle Angebote gibt, aber da sollte dir das Netz und Ärzte weiterhelfen können. Hier gibt es sowas wie Bipolar-Ambulanzen etc., die sich damit eben auskennen und auch schulen wie man mit der ganzen Sache lernen kann umzugehen.

Da gibt es einiges über die Bipolarität zu erfahren - einiges kommt mit der Zeit, anderes sind einfach Fakten, die in den meisten Fällen zutreffen, wenn man denn wirklich bipolar ist.

Die Phasen werden in der Regel heftiger und häufiger ohne Behandlung (Fakt). Erst gegen 45-50 Lebensjahre, wenn ich mich recht erinnere nimmt zumindest die statistische Phasenhäufigkeit ab, aber das heißt nicht, dass man da keine Phasen haben kann. Aber die Verläufe bei Bipolaren sind sehr unterschiedlich - es gibt im Grunde alles - sehr wenige Phasen im Leben aber auch sehr viele und alles dazwischen, aber ich mag halt Statistiken :) Ich bin etwa in deinem Alter. Verlauf: bei wurde es nur schlimmer. Depressionen ausgeprägter mit den Jahren, Therapie, irgendwann Klinikaufenthalt, dann nochmal Klinik mit Manie, etc., etc. Alle Phasen wurden immer heftiger und die Erholungszeit wurde länger. Also ist höchste Priorität erneute Phasen zu verhindern. Alles in allem war jeder Phasenzyklus absolut schädlich für meine persönliche, soziale und auch berufliche Weiterentwicklung und sie kosteten verdammt viel qualitative Lebenszeit, die mir niemand mehr zurück geben kann. Und da spielt es für mich keine Rolle mehr, was ich nun in der Manie für wichtige Einsichten oder Gefühle gehabt habe - das Positiv-Negativ-Verhältnis ist absolut einseitig.

Was den Begriff "krank" oder "gestört" oder was auch immer betrifft ist mir eigentlich egal wie man das nun nennt, auch wenn sich "Störung" schon hart anhört, aber letztlich ist es nur ein Begriff sonst nichts. In Phasen sehe ich mich definitiv als krank/ nicht studier- oder arbeitsfähig an, sodass ich unter Umständen kaum den Alltag gebacken bekomme. Ich meine was, wenn nicht das, soll denn "krank" sonst sein? Deshalb lasse ich mich da evtl. auch "krank" schreiben.

Außerhalb von Phasen sehe ich mich als vulnerabel an - heißt ich bin eben definitiv anfälliger in eine Phase zu geraten als jemand der nicht bipolar ist. Das bedeutet, dass ich darauf achten sollte, besonders in eher unüblichen Belastungssituationen und zumindest deutlich anbahnende Symptome einer Depression oder Manie (die man hoffentlich von sich schon kennt) nicht auf die leichte Schulter nehme, sondern rechtzeitig gegensteuere mit "was auch immer mir wirklich hilft" - in den meisten Fällen werden das Medikamente sein, aber nicht nur. Alles andere und leider auch viele Medikamente hat/haben bei mir nicht, zu schwach oder nicht langfristig funktioniert.

Alles was ich dir nur raten kann, falls du bipolar bist: Schließe nichts aus, was dir auch nur in irgendeiner Form helfen könnte und gebe nicht auf etwas sinnvolles zu finden, völlig egal was es nun eben ist. Egal wie abgeneigt du nun gegen Medikamente (war bei mir anfänglich der Fall) oder ärztlichen Rat bist. Es ist nicht selbstverständlich, dass etwas so gut funktioniert, dass ein größtenteils stabiles (psychisch gesundes) Leben möglich ist, aber es ist definitiv möglich. Leider findet man dies nur raus indem man einfach ausprobiert, was einem nun wirklich hilft und das kann unter Umständen ein langer Weg werden, muss es aber auch nicht. Demnach sind auch eventuelle Rückschläge völlig Ok und legitim und nicht das Ende der Welt.

Das ist mein Senf dazu.

Alles Gute,
roobb



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.10.20 03:14.
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Schwierigkeiten/Verwirrung rund um Diagnose

Linde. 1048 14. 10. 2020 22:02

Re: Schwierigkeiten/Verwirrung rund um Diagnose

Lichtblick 261 16. 10. 2020 20:13

Re: Schwierigkeiten/Verwirrung rund um Diagnose

roobb 538 17. 10. 2020 02:57



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